Salomes siebter Schleier (German Edition)
gesagt, dass die Fremden lächelten. Und Spoon erkannte mit einem Mal, dass Can o’ Beans recht hatte.
«Daher», so fuhr die Bohnendose fort, «stellen sich zwei Fragen. Wo genau wollen Sie hin? Und wie sollen wir Sie Ihrer Meinung nach begleiten? Sie wissen ja, dass wir uns nicht aus eigener Kraft fortbewegen können.»
«Unser Ziel ist Jerusalem», sagte Painted Stick. «Ich dachte, das wäre klar.»
«Und was die Fortbewegung angeht», fuhr Conch Shell fort, «so glauben wir, Ihre Schwingungen beträchtlich steigern zu können.»
Wie alle unbelebten Objekte auf der Welt wussten die drei verschleppten Gegenstände aus dem Airstream-Truthahn instinktiv, was die Schneckenmuschel meinte.
«Wir brauchen ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken», hatte Can o’ Beans gesagt.
«Wozu denn das, zum Teufel?», wandte Dirty Sock ein.
«
Bitte
, Mr. Sock», sagte Can o’ Beans ein wenig aufgebracht.
«Wie Sie wünschen», sagte Conch Shell, «am besten lassen wir Sie allein, damit Sie die Angelegenheit in Ruhe besprechen können.»
«Aber bitte beeilen Sie sich», fauchte Painted Stick.
Can o’ Beans hatte die beiden zurückgehalten, als sie die Höhle verlassen wollten. «Noch ein Wort zu dieser Stadt, Jerusalem», sagte er. «Vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, dass dort heutzutage Aufstände und Unruhen an der Tagesordnung sind. Ehrlich gesagt habe ich sogar den Eindruck, dass es ein ziemlich gefährliches Pflaster ist.»
«Liebe Güte», sagte Spoon.
«Ja genau, was sagen Sie dazu?», fragte Dirty Sock.
Painted Stick blieb nicht einmal stehen. «In Jerusalem gab es schon
immer
Unruhen. Solange das Blut in den Straßen nicht bis zu meinem ersten blauen Streifen schwappt, kann es nicht so gefährlich sein wie früher.»
Zu Painted Sticks Befriedigung ging die Abstimmung schnell vonstatten und fiel positiv aus: zwei Ja-Stimmen, eine Enthaltung. Can o’ Beans war viel zu neugierig, um die Gelegenheit, mehr von der Welt zu sehen, auszuschlagen, ganz gleich, ob es gefährlich war oder nicht, während die Socke nicht viel verlieren konnte: Alles war besser, als in einer gottverlassenen Höhle zu Staub zu werden. Von bösen Vorahnungen wie betäubt, hatte Spoon sich einfach nicht entscheiden können. Während ihre Gefährten rasch die Vor- und Nachteile abhakten, dachte sie wehmütig an Schokoladenpudding mit Sahne und den schmallippigen Mund des jungen Jesuiten, dem schon beim Anblick der Schüssel das Wasser im Mund zusammenlief.
Nachdem sie die Entscheidung des Trios vernommen hatten, begannen Painted Stick und Conch Shell auf der Stelle mit den Vorbereitungen für das frequenzsteigernde Ritual, das von allen Beteiligten enorme Anstrengung und ein Höchstmaß an Konzentration erforderte.
Die angebliche Trägheit der Objekte ist eine Illusion. Die unbelebte Welt erscheint uns Menschen nur wegen unseres neuromuskulären Chauvinismus statisch oder «tot». Unser eigenes begrenztes Wahrnehmungsvermögen lässt uns die Augen vor der Tatsache verschließen, dass fast alle Aktivitäten im Universum sich außerhalb von unserem Aktionsradius abspielen, noch dazu in einem Tempo, das so viel langsamer oder schneller ist als unser eigenes, dass diese Aktivitäten uns verborgen bleiben wie hinter einem … einem Schleier.
Wir betrachten die Gegenstände des täglichen Lebens, als seien sie stabile, berechenbare, feste Bestandteile unseres Daseins, die, von untergeordneter Bedeutung, in Zeit und Raum erstarrt sind. Doch wie können wir mit solcher Sicherheit wissen, was die Dinge tun, wenn wir gerade nicht hinsehen? Wenn unser Sehvermögen nicht ausreicht, um sie wirklich wahrzunehmen?
Nehmen wir zum Beispiel eine Dose Van Camp’s Bohnen mit Schweinefleisch. Kennen wir? Dann schauen wir uns das Etikett doch mal genauer an. Vergessen wir die Bestandteile (einschließlich Zucker und Maissirup, den man in diesem Produkt sicher nie vermutet hätte), lassen wir auch die Kochanleitung, die Gewichtsangabe (einundzwanzig Unzen oder 595 Gramm, ein bisschen schwerer als ein Pferdehirn) und die leicht modifizierte Wildwestschrift aus dem Spiel, in der diese Information gedruckt ist, kuhblessenweiß und rodeogelb auf halstuchrotem Fond. Versuchen wir, tiefer zu sehen.
Wir brauchen jetzt ein Vergrößerungsglas, ebenfalls kaum das passive, unbewegliche Objekt, als das wir es betrachten, da Glas im Grunde eine Flüssigkeit ist: Es tropft und fließt in Geschwindigkeiten, die wir gewöhnlich nicht wahrnehmen.
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