Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
Vom Netzwerk:
sehen. Aus dem Zelt jedoch drang schläfriges Stimmengemurmel.
    «Wir müssen es riskieren», stimmten die Objekte überein. Während Spoon Schmiere stand, schleppte Painted Stick die klatschnasse Socke zu einem flachen Felsen am Feuer und breitete sie darauf aus. Dann kam Can o’ Beans auf die Idee, sich über Dirty Sock zu wälzen, um das Wasser aus ihm herauszupressen, damit er schneller trocknete. Der war zwar nicht gerade begeistert von diesem Arrangement, aber auch zu schwach, um dagegen zu protestieren. Hin und her rollte die Bohnendose, hin und her, kleine Rinnsale flossen über den Felsen, und die Eiskristalle auf den Synthetikfasern wurden allmählich zu Dampf.
    «Aber Schatz», quengelte eine anscheinend männliche Stimme aus dem Inneren des Zelts. «Ich
mag
keinen Instantkaffee, auch nicht, wenn es Cappuccino ist.»
    «Er ist importiert. So gut wie frischer.»
    «Ich will wenigstens dieses eine Mal Kaffee, der in einem Topf über dem Feuer gebrüht wurde.»
    «Echten Männerkaffee, Dabney?»
    «Er braucht kein Geschlecht zu haben.»
    «Hemingway-Kaffee?»
    «Genau.»
    Die Stimme der Frau klang schrill, nasal und gequetscht, als wäre sie durch die Häkchen von Jane Austens Korsett gefädelt worden. «Hemingway hätte längst den Kanal voll gehabt.»
    «Vor Tagesanbruch? Quatsch! Hemingway hatte noch Überzeugungen. Zum Beispiel glaubte er an ein gutes Frühstück. An echten, starken Kaffee.»
    «Normalerweise würdest du solchen Kaffee in den Ausguss kippen.»
    «Das hier ist nicht ‹normalerweise›, Heather. Das ist unser Abenteuerurlaub.»
    «Na schön. Aber wenn deine Vorstellungen von romantischen Abenteuern darin besteht, Batteriesäure zu trinken …»
    Der Mann schnüffelte. Er schnüffelte so heftig, dass die Zeltwände flatterten. «Das ist keine Batteriesäure. Das ist Starbucks Kolumbien-Neuguinea-Mischung.»
    «Sie wird Sondermüll sein, sobald du sie aufgebrüht hast. Mit andern Worten, wenn du deinen Männerkaffee, deinen Fischerkaffee willst, musst du ihn dir wohl oder übel selber machen.»
    «Heath-er», wimmerte der Mann. «Ich hab doch schon das Feuer gemacht.» Doch noch während er protestierte, zog er den vorderen Reißverschluss des Zeltes auf.
    Spoon warf sich mit ihrem verzierten Griff gegen einen der metallenen Zeltpflöcke und schlug so Alarm. Geschickt wie ein Stier aus Pamplona, der einen betrunkenen Touristen aufspießt, nahm Painted Stick Dirty Sock auf die Hörner und zerrte ihn ins Gebüsch. Conch Shell half von hinten nach. Can o’ Beans war gerade von der flach ausgestreckten Socke herunter gerollt, als der Stock ihn gepackt und davongeschleift hatte. Der plötzliche Ruck versetzte der Dose noch zusätzlichen Schwung: Sie rollte vom Felsen herab auf den Waldboden und landete genau vor den Füßen des Mannes.
     
    «Heather! Hier draußen ist was!»
    «O mein Gott!», keuchte die Frau. Visionen von Ted Bundy oder einem haarigen Charlie Manson zwirbelten durch ihre Phantasie wie ein blutgetränktes Gummiband.
    Dem Mann entrang sich ein tiefes Gelächter. «Es sind nur Viecher, Schatz», rief er. «Ein paar kleine Viecher, die das Feuer angezogen hat.»
    «Sie könnten tollwütig sein», kreischte die Frau. Doch als sie merkte, wie hysterisch sie war, setzte sie in ruhigerem Ton hinzu: «Wirf ein paar Steine nach ihnen, Schatz.»
    In einem himmelblauen Pyjama, über den er einen himbeerroten Nylonparka mit Klippverschlüssen gezogen hatte, sah sich der Mann misstrauisch um. Er war nicht alt, so zwischen fünfunddreißig und vierzig, taperte jedoch in seinen nagelneuen Timberland-Schnürstiefeln herum, als käme er geradewegs aus dem Altersheim. Klobige randlose Brillengläser saßen auf seiner spitzen kleinen Nase wie die Räder eines Streitwagens, der einen ausgemergelten Frühchristen überfährt, und doch wirkte er immer noch ziemlich kurzsichtig. Er sah aus wie ein Mittelklasseakademiker; vielleicht war er einer von diesen Literaturmaulwürfen, die in verstaubten Hinterzimmern ihre Blässe kultivieren und sich an den komplizierten Nuancen von E. M. Forster aufgeilen. Vielleicht war er Redakteur einer städtischen Wochenzeitschrift, die ihre Seiten mit Anzeigen von Weinhandlungen und Galerien und gewissenhaften Kritiken über das mit zusammengekniffenen Ärschen fabrizierte Gefiedel europäischer Streichquartette füllt. Erst vor ein oder zwei Tagen hatte dieser Mann Boomer Petway derart überheblich und verächtlich gemustert, als sein Volvo den riesigen Truthahn

Weitere Kostenlose Bücher