Salomes siebter Schleier (German Edition)
überholte, dass Boomer sich zu Ellen Cherry umgedreht und gefragt hatte: «Glaubst du, dass es Männer gibt, die an Penisneid leiden?»
«Heather», rief der Mann. Seine hervorquellenden Augen hatten vor dem Lagerfeuer etwas entdeckt.
«Ja, Liebling?»
«Hast du Schweinefleisch mit Bohnen eingepackt?»
«Was?»
«Schweinefleisch mit Bohnen.»
Er kniff die Augen zusammen und ging im Schein des Feuers in die Hocke. Die chinesischen Finger der Morgendämmerung, schmal und opiumbefleckt, massierten bereits den geschundenen Rücken des Himmels, und die Schreie der Eulen wichen dem wohltuenden Gesang der Vögel und dem Lärm der Krabbeltier-Nachtschicht, die ihre Lochkarten in die Stechuhr schob und sich aus dem Staub machte. Ungerührt von dieser planetarischen Routine, die jeden Poeten in ihren Bann zog – jedenfalls jeden, der um diese Zeit wach und nüchtern war –, machte der Mann eine Bewegung, als wolle er Can o’ Beans aufheben, doch dann überlegte er es sich anders und stocherte mit einem im Laden gekauften Stück Feuerholz an ihm/ihr herum.
Spoon, die das Ganze vom Unterholz aus beobachtete, stieß einen unterdrückten Schrei aus. «Oh, was können wir nur tun?», fragte sie.
«Rühren Sie sich nicht von der Stelle», befahl Painted Stick.
Die Frau trat aus dem Zelt. Sie hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit ihrem Mann, bis hin zum Flanellschlafanzug und den aquariumdicken Brillengläsern. Vielleicht war sie einen oder zwei Zentimeter größer als er, doch selbst sie hätte noch auf eine Pfirsichkiste klettern müssen, um die Ohren eines Shetlandponys zu streicheln. Aggressiv wie ein Fernsehbulle marschierte sie auf die hilflose Blechdose zu.
«Du fragst mich, ob ich Schweinefleisch mit Bohnen eingepackt habe? Dabney, ich habe mehr als eine Woche lang für diesen Ausflug eingekauft …»
«Über eine Woche lang …»
«Entschuldige. Über eine Woche lang. Bist du dir eigentlich im Klaren, wie viel Geld ich ausgegeben habe?»
«Also ist das nicht
unser
Schweinefleisch mit Bohnen?»
«Also wirklich, Dabney!» Die Frau machte ein Gesicht, als sei ihr soeben eine Schwade Latrinengestank aus Kalkutta in die Nase gestiegen. Dann entspannte sie sich und grinste. «Zum Frühstück mach ich uns Orangencrêpes. Mit Cointreau. Aber erst, wenn du mit dem ersten Fisch auftauchst.»
«Einverstanden.» Er legte ein kleines Holzscheit auf das Feuer. «Ich ziehe mich an und zische los.» Während er ins Zelt kroch, rief er: «Oh, Schatz. Vergiss nicht, das Leinentischtuch aufzulegen.»
«Habe ich das schon jemals vergessen?»
Entschlossen bückte sich die Frau nach der Bohnendose, unterzog sie einer skatologischen Untersuchung und schleuderte sie dann mit erstaunlicher Wucht gegen einen Felsen am anderen Ende des Campingplatzes.
Der Konservierungsprozess wurde 1809 von einem französischen Konditor namens Nicolas Appert erfunden.
Oui
, der simple proletarische Behälter, der unser Dosenfleisch von der Herstellungsfirma bis zum Abendbrottisch begleitet und beschützt, stammt aus Paris, dem Geburtsort so manchen Genies, so mancher Extravaganz. Ist es also übertrieben, wenn ein Maler wie Andy Warhol dafür sorgte, dass die
soup can
zum anerkanntesten Symbol der zeitgenössischen Kunst wurde? Ist es reiner Zufall, dass der repräsentativste Pariser Tanz
Cancan
heißt? Oder dass das berühmte französische Filmfestival in einem Ort namens
Cannes
stattfindet? Sicher, und trotzdem: Es gibt mehr Blechdosen auf der Welt als Menschen (allein in den USA werden Jahr für Jahr hundert Milliarden neue hergestellt), und sie führen ihre Herkunft nicht auf eine öde, von Affen bevölkerte Steppe zurück wie wir, sondern auf die Heimat von Matisse und Baudelaire, von Debussy und Sarah Bernhardt; auf die Metropole der Musen, die Stadt der Lichter.
Trotz der funkelnden Eleganz, die ihre Geburt begleitete, ist die Dose solide, verlässlich. Bruch oder verdorbener Inhalt bleiben die Ausnahme. Man kann sie nach fünf Jahrzehnten öffnen, und der Inhalt ist einwandfrei, vorausgesetzt, man macht sich was aus Hammel in Dosen. Könnten wir doch auch unsere Unschuld so konservieren, unser Staunen, unsere jugendliche Libido. Campbell’s Ewige Jugend. Swanson’s Junger Hüpfer.
Die ersten Konservendosen wurden aus Blech handgefertigt und mit Lötmetall verschweißt. Heute werden sie maschinell aus Pressstahl hergestellt. Das einzige Blech in einer modernen «Blechdose» steckt in dem feuerverzinnten Überzug, der so dünn
Weitere Kostenlose Bücher