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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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zweihunderttausend Trompeten und vierzigtausend Harfen vollgestopft hatten, ließen sie die Stadt wissen, dass sie ihre Autonomie behalten könne, solange sie sich benahm. Ha! Denkste! Das stolze kleine Jerusalem wurde von Tag zu Tag trotziger, und nun erhellte die gefürchtete babylonische Kriegsmaschinerie den Himmel über den Vororten mit einem nicht gerade amüsanten Feuerwerk.
    Viele Monate lang stöhnte Jerusalem unter der Belagerung, und während dieser Zeit gelang es Mr. Stick kein einziges Mal, ein verheißungsvolles Zeichen in den Wolken auszumachen. Als Hunger, Durst und Krankheiten selbst die Priester und Priesterinnen überwältigten, wurde unser Stock schließlich vergessen. Er lag einsam und verlassen auf dem Dach des Tempels, wo sie ihn nach einem letzten Schwenk über den Himmel hingeworfen hatten.»
    I & I

Ein Taxifahrer aus San Antonio mit einem Abschluss in Ichthyologie räumte in jeder Kategorie des «Glücksrads» auf und sahnte mächtig ab, doch Buddy Winkler sah kaum hin. Buddy las ein Buch, jawohl, ein Buch, das er in der Stadtbücherei von Colonial Pines entdeckt und mit hochrotem Kopf ausgeliehen hatte.
    Gewöhnlich lag eine aufgeschlagene Bibel auf dem mit Fertigtomatensauce bekleckerten, resopalbeschichteten Tisch oder auf der gepolsterten Armlehne seines Lieblingssessels (die so verschlissen war, dass in regelmäßigen Abständen Fetzen der Füllung herausquollen wie Samen aus den Kapseln der Seidenpflanze). Doch Buddy las nicht wirklich in der Bibel, nicht mehr, er zog sie höchstens gelegentlich zu Rate wie ein Schauspieler seinen Spickzettel. Er brauchte nur die Worte «Und es öffnete sich der Abgrund, und eine große Wolke Rauch wälzte sich heraus …» zu lesen – schon war er wieder in seinem Element und erging sich in langgezogenen Tenor-Riffs über sein Lieblingsthema, die Letzten Tage, das schreckliche, blutige Ende der Geschichte, den Schwall kochender Gedärme, der, wie viele glaubten, alle Sünden und Sünder mit sich reißen und das Universum für alle Zeiten blitzblank zurücklassen würde.
    An diesem Märzabend jedoch las Reverend Buddy Winkler ein Buch. Und auf dem Servierwagen stapelten sich weitere Bücher, so hoch, dass eine Katze von dort aus bequem eines der vielen Spottdrosselnester in der Nachbarschaft hätte erreichen können. Doch nur eines dieser Bücher fesselte Buddy.
    Buddy hatte manchmal den Verdacht gehabt, dass Gott der Allmächtige nicht mit ihm zufrieden war, an seinen Diensten allerlei auszusetzen hatte, sein Gesicht nur deshalb mit Eiterbeulen übersäte wie eine Kumquat und mit Zahnschmerzen zur Verzweiflung trieb, um ihm seine Missbilligung zu zeigen. Aber jetzt hatte der Herr zu ihm gesprochen und ihm einen Auftrag erteilt. Buddy fühlte sich bestätigt (obgleich auf seinem Kinn soeben ein Furunkel von der Größe und Temperatur eines ofenfrischen Pastetchens erblühte). Er fühlte sich demütig und heldenhaft zugleich und war mehr als willig, seine gemarterten Schultern unters Rad zu stemmen. Das Schlimme war nur, die Juden wollten nicht mitmachen. Er hatte jeden Rabbi in Richmond und Norfolk angerufen (der einzige Jude, der in Colonial Pines lebte, war ein im nahe gelegenen Fort Lee stationierter Heeresoffizier), doch ohne Erfolg. Als er ihnen den Kernpunkt seiner Mission erklärte, hatten sie ihm ziemlich rüde zu verstehen gegeben, dass sie ihn für bekloppt hielten. Buddy war ebenso überrascht wie gekränkt. Er hatte immer geglaubt, die Juden wollten den Tempel wieder aufbauen. Er hatte geglaubt, sie sehnten die Wiederkehr des Messias herbei. Betroffen, aber keineswegs geschlagen begab er sich zur Bibliothek, um in ein paar Büchern über den Judaismus zu blättern. Dabei fiel sein Blick auf jenes andere Buch, das ihn nun schon den ganzen Abend beschäftigte.
    Es stammte von James Schaffer und Colleen Todd und trug den Titel
Christliche Ehen: Die Frauen hinter den Evangelisten
. Er wusste selbst nicht, warum er den verdammten Schmöker mitgenommen hatte, und schon gar nicht, warum er ihn verschlang. Als er las, dass Tammy Faye Bakker, die Frau des Superpredigers Jim Bakker, das Interesse ihres Mannes aufrechterhielt, indem sie mehrmals am Tag die Perücke wechselte, fiel ihm die Kinnlade so weit runter, dass ihm seine schwellende Bouchée dort einen schmerzhaften Stich versetzte. Und als er erfuhr, dass Mrs. Bakker der ehelichen Langeweile zu entgehen versuchte, indem sie Reverend Bakker niemals ohne Make-up unter die Augen trat und

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