Salomes siebter Schleier (German Edition)
wiederum mit Platten aus Gold und Silber überzogen und verschwenderisch mit Edelsteinen besetzt. Nach heutigen Maßstäben hätten allein die Edelmetallkosten für den Bau des Tempels über sechs Milliarden Dollar betragen. Kein Wunder, dass man sich da lieber für Aluverkleidungen entscheidet. Ich frage mich nur, wie hoch Salomons Versicherungsprämie für ein solches Unternehmen gewesen wäre.
Natürlich war der ehrgeizige König Salomon schon mehr als ein Jahrhundert unter der Erde, als Miss Shell und Mr. Stick auf der Bildfläche erschienen. Sie erfuhren von den Steinen selbst über die Konstruktion des Tempels. Der Ort war ein bisschen heruntergekommen und schmuddelig, als unsere Freunde dort eintrafen, aber es war immer noch eine Anlage von außerordentlichem Prunk, zumal an staatlichen Feiertagen, wenn Tausende die Treppen hinaufströmten, sangen, Tamburine schlugen und mit ihren blökenden Opfertieren kämpften, derart geblendet von der funkelnden Pracht um sie herum, dass sie nicht wagten, den Blick zu heben. Hoppla. Augenblickchen mal, Bohnendose. Ich habe gesagt, der alte Sal sei schon mehr als ein Jahrhundert unter der Erde gewesen. Falsch. Salomon starb 933 v.Chr., Miss Shell und Mr. Stick nahmen ihre Arbeit im Tempel 843 v.Chr. auf. Das sind neunzig Jahre, nicht hundertzehn. Dieses Rückwärtszählen macht einen ganz konfus. Aber wie muss es erst für die Leute gewesen sein, die zur Zeit von Christi Geburt lebten. Ihr Leben lang hatten sie rückwärts gezählt, auch ihre Vorfahren hatten rückwärts gezählt, so weit man zurückdenken konnte, und dann wachten sie eines Morgens auf, kamen mit quietschenden Reifen zum Stehen und zählten fortan in die entgegengesetzte Richtung. Ich sage Ihnen, bei dieser Umstellung von v.Chr. auf n.Chr. müssen sie völlig meschugge geworden sein. Jede Wette, dass eine Menge Israeliten ihre Zahnarzttermine verpasst haben.»
I & I
Blaue Lichter blinkten wie für ein mutiertes Sonderangebot in einem postnuklearen K-Mart, als der Streifenwagen eine qualmende, uralte Rostbeule von Chevy mit klapperndem Auspuff zwang, rechts ranzufahren.
«Ich bin Reverend Buddy Winkler», verkündete der Fahrer zuversichtlich.
«Officer Dishman. Darf ich mal Ihren Führerschein sehen?»
Buddy war nur neunundzwanzig Meilen pro Stunde gefahren, aber die Geschwindigkeitsbegrenzung auf dem Strip lag bei fünfundzwanzig und nicht einem Kolbenschlag mehr. Als sich der Beamte ungerührt gab, zückte der Prediger seine Brieftasche. Ein leeres Kaugummipapier machte sich selbständig und flatterte wie eine magersüchtige Motte auf das blau schimmernde Pflaster zu Füßen des Polizisten.
«Gott hat heut Abend zu mir gesprochen, Officer», sagte Buddy. «Ich bin nach dem Abendessen eingenickt, und da is mir der Herr erschienen. Er hat mir eine Vision geschenkt und mir einen Auftrag erteilt.» Buddy wärmte sein Saxophon auf. «Man kann sich doch nich von irdischen Geschwindigkeitsbegrenzungen aufhalten lassen, wenn man im Auftrag Gottes unterwegs is.»
In den meisten anderen Städten hätte man ihn auf die Wache gebracht und pusten lassen, aber dies war Colonial Pines, Virginia. Der Polizist ließ Buddy nicht nur ohne Verwarnung laufen, sondern spendete obendrein noch fünf Dollar für die gute Sache. «Schließen Sie meinen kleinen Jimmy in Ihre Gebete ein, Reverend. Er kriegt immer ganz scheußliche Allergien.»
Merkwürdig hochgestimmt, hatte Buddy keine Lust, gleich nach Hause zu fahren. Er steckte den Fünfdollarschein, den er als Zeichen künftigen Segens ansah, in die Brusttasche und kehrte, ohne zu wissen warum, zum Haus der Charles’ dem Schauplatz seiner Erscheinung, zurück. Durchs Wohnzimmerfenster erhaschte er einen Blick auf seinen Vetter und dessen liederliche Frau. Verlin versuchte noch immer, die vermaledeite Straßenkarte zusammenzufalten, Patsy dagegen hatte ihren Bikini zu Ende gehäkelt. Es hatte nicht lang gedauert. Das Ding war nämlich so winzig, dass ein paar Seidenraupen es locker in der Frühstückspause hätten wegputzen können.
Obgleich er mittlerweile an ihrem Haus vorbei war, drückte Buddy voll auf die Hupe. «Erhebt eure Stimmen zum Herrn!», rief er durch die morschen Kruzifixstummel seines dentalen Golgatha.
I & I
«Wieder schwang das Pendel aus. Diesmal bestieg ein Widerling namens Josia den Thron, und während seiner dreißigjährigen Herrschaft mussten sich Miss Shell und Mr. Stick ziemlich bedeckt halten. Nachts trug man sie zwischen den
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