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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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im Bett routinemäßig falsche Wimpern und Ohrringe trug, ließ er das Glücksrad sich einfach allein weiterdrehen.
    «Typisches Jezabel-Getue», murmelte er bei sich. «Reinstes Jezabel-Theater.» Kein Wunder, dachte er, dass Jim Bakker und seine Spießgesellen in Ungnade gefallen waren. Wenn die mächtigsten Prediger des Landes geschminkte Flittchen zu rechtlich angetrauten Ehefrauen nahmen, musste das Reich des Bösen auf dem Höhepunkt seiner Macht sein. Wo ist die Zuflucht, die vor dem Teufel, dem Leibhaftigen in seiner heimtückischsten Gestalt, der Hure von Babylon, sicher ist? Würde er, Buddy Winkler, bedeutendster Priester der Southern Baptist Voice vom Sparrow Network, würde er jemals eine Frau nehmen … Er riss sich zusammen. Was dachte er da?
    In diesem Moment klopfte es an der Tür. «Himmel, Arsch und Zwirn», fluchte er. «Das sind Verlin und Patsy.» Wenn Patsy ihn dabei erwischte, dass er dieses Buch las …! Hastig stopfte Buddy die
Christlichen Ehen
unter die Sofakissen. Erst als er das Fliegengitter entriegelte, bemerkte er die Schwellung in seiner Hose, die älteste Geschichte der Menschheit, einen Wälzer, den er unter kein Möbel schieben, ein Opus, das er nicht verstecken konnte.
    I & I

Nebukadnezar war ein geduldiger Mann. So viel hatte er mit den unbelebten Objekten gemein. Monat um Monat spazierte er den Festungswall entlang, den seine Soldaten um Jerusalem gezogen hatten, und hielt seine große babylonische Nase in den Wind. Als der Gestank, der nach draußen drang, so durchdringend wurde, dass er davon ausgehen konnte, die Hälfte der Bevölkerung sei krepiert, befahl er seinen Männern, die Rammböcke einzusetzen. Als sie die leicht verwundbare nördliche Mauer einrissen, stießen sie auf keinen nennenswerten Widerstand.
    Nun, da sie die Stadt eingenommen hatten und die Jungs aus Babylon durch die schmalen Straßen ausschwärmten, tat unser alter handbemalter Stock, der auf einer von der Sonne erwärmten Goldplatte auf dem Tempeldach gelegen und zugesehen hatte, etwas, was – außer in ganz seltenen und geheimsten Ausnahmefällen – seit der Hervorbringung menschlicher Wesen durch die Evolution auf der Erde kein Objekt in Millionen von Jahren mehr getan hatte. Er sprang auf und rannte los.
    Den Grund für diese radikale Maßnahme kann ich nur vermuten. Vielleicht hatte er einfach die Nase voll von dem ewigen Hin und Her, vielleicht sah er nicht ein, warum er mit dem sinkenden Schiff untergehen sollte. Vielleicht gab es gar keinen vernünftigen Grund, und falls doch, dann stand er in den Sternen. Jedenfalls war es kein Honiglecken, so viel steht fest. Ungeheure Willensanstrengung war vonnöten, um jene Kräfte in Bewegung zu setzen, die lange in ihm geschlummert hatten. Bestimmte subatomare Partikel mussten veranlasst werden, ihre Richtung zu ändern, Umlaufbahnen zu benutzen, deren Existenz ihnen bis dato nicht bekannt gewesen war. Doch in weniger als einer halben Stunde menschlich subjektiver Zeit klapperte Mr. Stick die Treppe hinunter zum Haupthof des Tempels.
    Er hüpfte an den ausgemergelten Leichen von Priestern und Priesterinnen vorbei, mit denen er einst in enger Verbindung gestanden hatte, durchquerte den Verbindungsgang und betrat die große Halle. Wie es der Zufall wollte, lag Miss Shell, eingehüllt in feinstes purpurrotes Leinen, auf einem weißen Steinsockel am anderen Ende der Halle. Wäre sie im Allerheiligsten gewesen, hätte er die schweren Türen aus massivem Gold nicht aufstoßen können, um zu ihr zu gelangen. Miss Shell spricht nicht gern über diesen Punkt, aber irgendwie hat Mr. Stick sie überredet, ihre eigenen Bewegungskräfte zu mobilisieren und mit ihm zu fliehen. Wahrscheinlich hat er ihr ins Ohr gepustet.
    Zuerst zierte sich Miss Shell ein wenig. Das tun viele Frauen, habe ich mir sagen lassen. Sie verwies darauf, dass die Babylonier fromme Anhänger Ishtars seien – also der Göttin Astarte unter einem anderen Namen – und dass keine geweihte Reliquie der Großen-Mutter-Religion von Babylon etwas zu befürchten habe. Mr. Stick konterte, Soldaten seien nun mal Soldaten, in jeder Kultur und in jedem Zeitalter. Soldaten würden immer nur alles kurz und klein schlagen, vergewaltigen und niederbrennen, und in ihrem Zerstörungsrausch sei ihnen nichts heilig, ganz gleich, ob belebt oder unbelebt. Außerdem sei er, Painted Stick, nicht aus Angst gesprungen. Es sei … etwas anderes gewesen.
    Sie kam mit.
    Sie wandten sich nach Süden, weg von

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