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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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verschiedenen verborgenen Schreinen hin und her, die die Wüste unweit des Toten Meeres säumten. Nach menschlichen Vorstellungen von Ruhm war es ungefähr so, als müssten sie sich nach einer rasanten Karriere in der ersten Liga nun plötzlich damit abfinden, für kleine Vorstadtclubs anzutreten – doch Conch Shell und Painted Stick hatten keineswegs Beulen im Ego. Oh, ganz im Gegenteil. Der Erste Tempel diente dem Staat mittlerweile als Schatzkammer, Akademie, Seminar und Ort für Ratsversammlungen und Talkshows. Es gab dermaßen viele politische, ökonomische und theologische Debatten (ganz zu schweigen von allerlei sexuellem Mumpitz), dass das Allerheiligste in Bürokratengeschwätz zu ersticken drohte. Die einfachen Wüstenschreine waren zwar durch jahwistische Attacken gefährdet, boten unserer Muschel und dem Stock jedoch willkommene Erholung von den Verschwörungen und Intrigen, die zwangsläufig den Honig in den Waben der Mächtigen vergiften.
    Ob Sie mir glauben oder nicht – und dabei wird mir allmählich etwas schwindlig –, die Schlacht zwischen Astarte und Jahwe war damit
noch lange nicht
entschieden. Nach Josias Tod machte sein Nachfolger König Jojakim dessen Reformen auf der Stelle rückgängig (die Anziehungskraft der alten Göttin war offensichtlich immer noch sehr groß), und Miss Shell und Mr. Stick, die mittlerweile Salzwasser, Sandstürme und Freudenfeuer überstanden und eine gewisse Patina angesetzt hatten, wurden aus der steinübersäten Wildnis wieder in den Großen Tempel geschafft und dort ausgestellt. Sie verbrachten die Jahre zwischen 609 und 586  v.Chr. Seit an Seit mit priesterlichem Instrumentarium und dienten als Mittler für Astartes launische Blitze, die, so hieß es, die menschliche Psyche vorübergehend von den Ketten zu befreien vermochten, die sie an ein irdisches Dasein in Schweiß und Tränen fesselten. Doch dann …
    Eines Abends, als das Zwielicht die steinernen Mauern der Stadt vergoldete und der Rauch von den Kochstellen sich in die abendliche Dämmerung kräuselte wie der Bart zum Himmel auffahrender Propheten, wurde Painted Stick auf das Dach des Tempels gebracht. Jerusalem lag ihm zu Füßen, in seinem ganzen Schmutz und seiner ganzen Pracht, eine dornige, windige, sonnenverbrannte Hügelstadt, streng in ihren Dachlinien, doch biegsam im Geiste, ein bisschen mitgenommen nach all dem Kommen und Gehen von Armeen und Aberglauben, Kulten und Karawanen, Plünderern und Philosophen, Erlösern und Zerstörern, und trotz alledem eine Heimstatt, eine Zuflucht, die sich nun der Nacht mit ihren einfachen Freuden hingab: Weinschläuchen und Pita-Broten, Geschnarche, Gebeten und Umarmungen – die steinernen Lider bereits verschlossen vor der einzigartigen Schuld, die sie, wie ich fürchte, eines Tages mit der Ewigkeit wird regeln müssen.
    Jenseits des Jaffa-Tores versank die Sonne im Gazastreifen wie ein Flamingo im Treibsand, und schließlich wandten sich die Priester dem östlichen Quadranten zu, der nun dunkel genug war, um einen oder zwei Sterne zu beherbergen. Mit einem Mal bemerkten sie ein ungewöhnliches mattrotes Glühen am nordöstlichen Horizont, einem verirrten Funken gleich, der sich an einen wollenen Umhang klammert, schwelend, glimmend, unsicher, ob er aufflammen oder erlöschen soll. Automatisch richteten sich aller Augen auf Painted Stick, doch der Stock registrierte nichts. Einer der Priester hob ihn in die Höhe und richtete ihn wie einen anklagenden Zeigefinger auf die ferne Glut. Nichts. Er schwang ihn hin und her, redete ihm gut zu, so wie ein Rutengänger manchmal seiner Wünschelrute. Kein Zucken, kein Beben. Der rote Fleck glühte weiter. Höchst merkwürdig.»
    I & I

Es gab einen berühmten Landschaftsmaler namens Russell Chatham, der in Livingston, Montana, lebte, und Ellen Cherry hatte gehofft, ihm einen Höflichkeitsbesuch abstatten zu können. Unter den gegebenen Umständen entschied sie sich jedoch dagegen. Es hatte keinen Sinn, Boomer mit einem weiteren künstlerischen Stachel unter dem Sattel zu reizen, zumal sie sich nicht entscheiden konnte, ob das Pferd ihn abwerfen sollte oder nicht. Gewiss gab es auch andere Frauen auf der Welt, die sich über die Gefühle für ihre Männer im Unklaren waren, sonst hätte Burt Reynolds seine Daseinsberechtigung verloren. Die Frage war nur: Zweifelten diese Frauen schon nach einer Woche Ehe an ihren Gefühlen? Sie entschied, dass es so sein musste. Wahrscheinlich gab es einige, womöglich sogar

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