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Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Titel: Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheila Jeffries
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einem Wasserkessel. Von Ellen keine Spur. Es war ganz still. Kein Weinen von John, kein Miauen von Jessica.
    Das Auto sprang nicht an.
    Joe schäumte vor Wut, drehte wiederholt den Schlüssel im Zündschloss – kein Lebenszeichen. Ich machte mir Sorgen, dass Joe wieder hineingehen und es an Ellen auslassen würde.
    Schließlich begann er, das Auto zu schieben. In der Nachbarschaft bewegten sich die Vorhänge, doch niemand kam ihm zu Hilfe. Da die Sackgasse abschüssig war, nahm der Wagen schnell Fahrt auf. Joe hechelte hinterdrein. Wut fördert bei Menschen manchmal körperliche Höchstleistungen zutage. Mit fliegenden Armen und Beinen überholte Joe das Auto und schwang sich auf den Fahrersitz. Mit einem Knall erwachte der Motor zum Leben.
    Joe wendete, röhrte am Haus vorbei und verschwand endlich in der Ferne, Richtung Autobahn.
    Als Erstes ging die Tür von Nachbarin Sue auf. Ich beeilte mich, vom Dach herunterzukommen, und stand neben ihr, als sie nervös an Ellens Tür klopfte. Sue trug Jeans und rosa Plüschhausschuhe. Wir starrten beide auf die Tür, als ob sie sich davon öffnen würde. Meine Schwanzhaare sträubten sich vor Angst. Es war beschämend.
    »Salomon, das ist aber ein dicker Schwanz.« Sue hatte eine freundliche, mitfühlende Stimme. Sie bückte sich, um mich zu streicheln, aber ich war nicht in der Lage, darauf zu reagieren. Die Stille im Haus war gespenstisch.
    Wahrscheinlich hat er Ellen umgebracht, dachte ich.
    Sue rief durch den Briefschlitz. »Ellen! Hier ist Sue von nebenan. Alles in Ordnung bei dir?«
    Wir warteten, lauschten. Endlich gab es ein Geräusch, das Klirren von Scherben. Dann kam Ellen langsam zur Tür. Sie zitterte und sah uns beide aus kleinen dunklen Augen an.
    »Ich bin okay«, seufzte sie und rang sich ein müdes Lächeln ab. »Und ich bin froh, dass er weg ist.«
    »Und John?«
    »John geht es gut. Kaum zu glauben, aber er hat alles verschlafen.«
    »Hat Joe dir wehgetan?«
    »Nicht körperlich. Er hat allerdings gedroht, uns beide umzubringen. Aber er liebt John doch. Er würde ihm nie etwas antun. Nur mir … Er gibt mir an allem die Schuld.«
    Ellen begann, aus tiefstem Herzen zu schluchzen. Sue führte sie zu einem Sessel, während ich nur mit unpassend aufgestelltem Schwanz herumstolzieren konnte. Sue kümmerte sich um Ellen, also sauste ich nach oben, um nach Jessica zu sehen.
    Unter dem Bett, wo sie lag, ertönte ein regelrechtes Schnurrkonzert. Alle drei Kätzchen saugten angestrengt und ruderten dabei mit ihren rosa Pfötchen. Ihre Köpfe sahen aus wie nasse Kiesel mit Knospen als Ohren. Ihre Augen waren geschlossen. Zwei von ihnen waren ganz schwarz, und eines hatte wie ich weiße Pfoten und einen weißen Fleck auf der Nase.
    Menschen haben es gut, sie können weinen. Das können Katzen nicht. In diesem Moment hätte ich es gern gekonnt, weil ich so überwältigt von väterlicher Liebe und Stolz war. Ich war Vater, die Kleinen brauchten mich. Ich musste ihnen so vieles beibringen. Und ich wollte sie unbedingt nach der unsichtbaren Welt fragen, solange sie sich noch erinnern konnten. Meine wunderbaren Kinder! Wie hatte ich nur so egoistisch sein können?
    »Verschwinde, Salomon«, knurrte Jessica. Aber sie war zu zufrieden, um gefährlich auszusehen. Sie lag mit zusammengekniffenen Augen auf der Seite, schnurrte und genoss es, die Kleinen zu säugen. Ich zog mich respektvoll zurück.
    Johns Schlafzimmertür stand offen. Er lag so ruhig in seinem Schlaf, dass er wirkte wie aus Marmor. Ich setzte mich neben sein Gitterbettchen und schnurrte ein bisschen. Mir gefiel der helle Dunst, der das schlafende Kind umgab. Besonders am Kopfende war er sehr dicht. In diesem schimmernden Licht erkannte ich den Engel, der John beschützte.
    Wieder einmal verließ ich meinen Erdenkörper und sah, wo John seine Traumzeit verbrachte. Er spielte auf einer Wiese mit einem blauen Luftballon an einer Schnur. Überall um ihn herum funkelten und glitzerten Lichterblümchen im Gras. Ein alter Mann war bei ihm. Er hatte ein liebevolles rundes Gesicht, sanfte Hände und strahlende Augen, die leuchteten, als John auf ihn zu rannte. John sah so anders aus, weniger ernst und beunruhigt als auf der Erde. In seiner Traumzeit war er sorglos und heiter.
    Ellen fand mich schlafend in John Bett.
    »Da gehörst du aber nicht hin«, sagte sie und hob mich vorsichtig heraus. Sie konnte mir nicht böse sein, denn ich rollte mich schnurrend vor ihrer Brust zusammen und sah ihr aufmerksam in die

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