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Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Titel: Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheila Jeffries
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Augen – und es geschah etwas ganz und gar Unerwartetes. Große, dicke Tränen liefen über Joes Wangen und auf mein Fell. Die dunkle Zornwolke verzog sich in den Garten und verschwand über die Dächer der Nachbarhäuser.
    Ich erwartete als Belohnung eigentlich eine Büchse Sardinen oder zumindest ausgiebige Streicheleinheiten, aber Joe trug mich hinüber zu dem Katzenkäfig, in dem Jessica gerade den Teppich zerfetzte. Irgendwie brachte Joe es fertig, mich zu ihr hineinzustopfen, und schloss die Tür, bevor ich reagieren konnte. Dann hob er den Korb hoch, stellte ihn in den Kofferraum des Autos und schloss den Deckel.
    Irgendetwas ganz Schreckliches ging hier vor sich. Wir würden zum Tierarzt oder ins Tierheim gebracht werden. Ich setzte mich und drückte gegen die Käfigtür. Die heilenden Sterne waren verschwunden. Ich fühlte, dass ich in der Falle saß.
    Ellen hatte John in den Kindersitz gesetzt. Sue von nebenan sah uns an.
    »Auf Wiedersehen, Salomon und Jessica. Tschüs, John«, sagte sie. Dann umarmte sie Ellen, und die beiden weinten.
    Warum weinen denn alle?, fragte ich mich. Es war ein wunderschöner goldener Herbsttag. Die ersten Blätter fielen vom Kirschbaum. Wir sollten da draußen in der Sonne mit ihnen spielen.
    Joe setzte sich hinters Steuer. Ellen, die neben ihm saß, umklammerte immer noch das Samtkissen. »Jetzt ist es so weit«, sagte Ellen tapfer und versuchte zu lächeln. »Ihr Katzen beruhigt euch jetzt. Wir haben einen langen Weg vor uns.«
    Sobald das Auto aus der Einfahrt und auf der Straße war, begann Jessica zu heulen. Sie heulte und heulte und wollte gar nicht wieder aufhören. Ich hatte eigentlich vorgehabt, ganz ruhig sitzen zu blieben, weil an Flucht sowieso nicht zu denken war. Aber Jessica regte mich so auf, dass ich in das Katzenkonzert einstimmte.
    »Sie werden das nicht zweihundert Meilen durchhalten«, sagte Joe. Er fuhr entschlossen und sehr schnell. Bald waren wir auf der Schnellstraße, wo schwere Lastwagen dicht an mir vorüberdonnerten. Ich war so verschreckt, dass mir die Haare anfingen auszufallen, besonders da, wo ich mich gegen die Käfigstangen drückte. Ich musste die ganze Zeit an meine Reise in dem ölverschmierten Laster denken.
    Menschen schienen aus ihrem Leben ständig ein Chaos zu machen. Wenn ich eine wilde Katze wäre, würde ich mir einen Platz suchen, für immer dort bleiben und ihn richtig kennenlernen. Ich würde mir einen tollen Unterschlupf in einer Hecke bauen und ihn gemütlich polstern. Dann könnte ich immer glücklich im Sonnenschein spielen.
    John war in seinem Sitz eingeschlafen. Ich konnte von der Seite eine seiner Wangen sehen und eine Hand, die quer über seinem Teddy lag. Er sah friedlich aus, genauso wie der Teddybär, dessen Augen mir immer zuzwinkerten. Ich fand, die beiden machten es richtig. Sie akzeptierten das Unvermeidliche. Also versuchte ich das auch.
    Ellen drehte sich um und sah mir in die Augen. »Es ist alles in Ordnung, Salomon«, sagte sie. »Ich werde mich um dich kümmern.«
    Danach konnte ich ein bisschen dösen, bekam aber von Jessicas unablässigem Geheul Kopfschmerzen. Ich schloss die Augen.
    Als ich sie wieder öffnete, hatte sich die Umgebung total verändert. Die ruhige Straße wand sich zwischen Hügeln und Felsen hindurch, auf denen Heidekraut und Ginster wuchsen. Ich konnte Farnkraut riechen – und Schafe. Wir waren seit Stunden im Auto, und es regnete wie aus Kübeln. Der Regen spritzte an die Fenster, dicker weißer Nebel zog vorbei und verhüllte die Landschaft.
    »Ich kann nichts erkennen«, grummelte Joe dauernd. Manchmal sagte er auch: »Ich werden gleich diese Katze erwürgen.«
    Jessica war das egal. Sie hatte den Bodenbelag in einen Ball aus Fäden und einen Haufen Flusen zerlegt und hineingepinkelt. Ihre Pfoten waren wund und rot. Sie heulte und heulte. Ich konnte sie einfach nicht beruhigen.
    Jessica und ich waren Stadtkatzen. Wir waren beide in Häusern mit Wänden und kleinen Gärten aufgewachsen. Wir kannten die Geräusche von Radios, Kindern und Rasenmähern. Als Joe endlich das Auto abbremste und den Motor ausstellte, empfingen uns Stille, fremde Gerüche und der prasselnde Landregen. Es war eigentlich ziemlich aufregend.
    »Da sind wir«, sagte Ellen. »Da ist es, unser neues Zuhause.«
    »Das werden wir noch sehen«, murrte Joe.
    Ich setzte mich auf und versuchte, mich zu strecken, stieß dabei aber mit dem Kopf an die Decke des Käfigs. In der Nähe des Autos stand ein merkwürdiges Haus

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