Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
begannen, mich zu bemerken. Sie nannten mich »Mieze« und »diese Katze da«, aber ich ging weiter, mit hoch erhobenem Kopf und Schwanz, direkt durch die Glastüren in das hallende Krankenhaus. Ich würde Ellen besuchen.
»Was macht denn die Katze da?«
»Wer hat die Katze reingelassen?«
Es war schwierig, einfach weiterzutrotten, während es links und rechts neben mir spitze Kommentare hagelte. Zum Glück waren auch ein paar Komplimente dabei.
»Ach, sieh doch! So eine hübsche Katze.«
»Die weiß, wo sie hinwill, die muss hier wohnen.«
Ich war stolz auf mich, schritt durch die Korridore, und alle lächelten mir zu. Ich sträubte meine Schnurrhaare und hielt mein Kinn hoch. Mein schwarzes Fell glänzte wie Seide.
Ich war Salomon, König der Katzen!
Doch das Beste war, dass ich Ellen besuchen würde. Von einer verschreckten, geduckten Katze hätte sie nichts, nur König Salomon in seinem Glanz konnte ihr helfen.
Joe hatte sich immer noch nicht umgesehen. Völlig taub gegenüber seiner Umgebung, trabte er durch das Krankenhaus. Dann ging er links die Treppe hoch und nahm zwei Stufen auf einmal. Seine Aura strahlte hell. Ich nahm an, dass wir uns Ellen näherten. Ich wollte an liebsten maunzen.
Wieder nach links und einen blassgrünen Gang hinunter tappten meine Pfoten auf dem gebohnerten Boden. Ich wünschte mir, Jessica wäre dabei. Wir könnten ganz toll spielen, herumrennen und -rutschen und die Menschen zum Lachen bringen.
Am Ende des Ganges führte eine riesige Tür in ein helles Zimmer mit hohen Betten. Eine Krankenschwester mit grimmigem Gesicht steckte den Kopf aus einer Tür daneben und sprach Joe an.
»Hi, wollen Sie Ellen besuchen? Sie wartet schon auf Sie.«
Dann schnappte sie nach Luft. Sie hatte mich gesehen.
»Was macht die Katze hier?«
Joe wandte sich um und erblickte mich. Ihm blieb der Mund offen stehen.
»Das ist doch nicht zu glauben! Das ist unsere Katze. Sie muss mir gefolgt sein.«
Ich blickte Joe und die Krankenschwester wild an, blieb nicht stehen, sondern schwenkte meine Schwanzspitze und stolzierte ganz allein durch die große Tür. Ich würde Ellen besuchen.
»So eine vorwitzige Mieze«, rief die Krankenschwester, und Joe fing an zu lachen. Ich hörte, wie die Krankenschwester rief: »Schwester, Schwester, wir haben eine Katze auf der Station.«
Ich ging weiter durch die Reihen hoher Betten und suchte Ellen. Und mein gezieltes Miauen hatte Erfolg. Ellen setzte sich in ihrem Bett auf und stieß einen überraschten Schrei aus.
»Salomon!«
Ich muss vom Boden aus fast einen halben Meter durch die Luft gesprungen sein, um auf Ellens Bett zu kommen. Dann schnurrte ich nur noch. Sie küsste mich und weinte und lachte gleichzeitig.
»Wie bist du denn hier hereingekommen? Du Wunderkater«, hauchte sie. »Ach, es ist so schön, dich zu sehen.«
Wir hatten ein paar kostbare Minuten für uns, bis Joe mit einem Trupp aufgeregter Krankenschwestern hereinstürmte.
»Tiere sind in diesem Krankenhaus streng verboten«, sagte eine in einer dunkelblauen Uniform. Ich war vorher noch nie als »Tier« bezeichnet worden. Aber ich dachte, dass sie wohl der Boss sein musste, und sah ihr liebevoll in die Augen, während ich mich an Ellen kuschelte.
»Ich muss Sie auffordern, das Tier sofort hinauszubringen«, sagte die Oberschwester. Aber sie sah mir in die Augen, und ich merkte, dass ich ihr gefiel. »Eine wunderschöne Katze, aber …«
Joe konnte sehr überzeugend sein. Ich entdeckte eine ganz neue Seite an ihm, als er ruhig mit den Krankenschwestern sprach und ihnen von mir erzählte.
»Er ist ganz sauber und tut Ellen gut. Sie fühlt sich sofort besser. Sehen Sie doch, sie hat sogar schon etwas Farbe im Gesicht.«
»Salomon ist eine Heilerkatze«, sagte Ellen vom Bett aus. »Bitte lassen Sie ihn noch ein Weilchen bei mir, Joe nimmt ihn nachher wieder mit nach Hause.«
Die Schwester sah erstaunt von Ellen zu Joe.
»Das ist das erste Mal, dass Ellen seit ihrer Einlieferung gesprochen hat«, sagte sie. Sie runzelte einen Augenblick die Stirn und traf eine Entscheidung. »Ich habe diese Katze nie gesehen. Eine Stunde, keine Minute länger!«
Sie zwinkerte Joe zu und ging forsch hinaus, gefolgt von zwei anderen Krankenschwestern, die lächelten.
»Danke. Du warst toll«, sagte Joe.
»Nein«, sagte Ellen. »Salomon war toll.«
8
Das verhängnisvolle Sandwich
Ellen kam nach Hause, aber ihr ging es nicht besser. Sie war nicht mehr die Ellen, die ich kannte und liebte. Anstatt zu
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