Salomos letzte Geliebte
unterschied.
Es war plötzlich eine Spannung vorhanden, die ich bisher nicht gekannt hatte. Auch zu vergleichen mit einer Erwartungshaltung, denn die Krieger warteten darauf, dass Amira etwas tat und sie zum Kampf aufrief. Das stellte ich mir zumindest vor, und hatte mich nicht geirrt, denn Sekunden später bereits war es so weit.
Ihre ersten Worte schrillten über die Köpfe hinweg. Und schrillen war der richtige Ausdruck. Wenn ein Mensch so sprach, dann steckte er voller Emotionen. Genau das war bei Amira der Fall. Sie brüllte ihre Befehle, und ich war nicht in der Lage, auch nur ein Wort davon zu verstehen. Ihre Stimme überschlug sich, und sie blieb dabei auch nicht unbeweglich stehen, sondern drehte sich auf der Stelle, wobei sie die Waffe noch immer mit einer Hand festhielt und sie über ihren Kopf schwenkte wie einen Dreschflegel. Wer sie so sah, der musste glauben, dass die Klinge kein Gewicht besaß oder dass die Kräfte der Person einfach so gewaltig waren.
Amira besaß von Natur aus eine helle Frauenstimme. Als sie ihren Zorn und ihren Willen preisgab, da klang die Stimme anders. Noch schriller und überdrehter. All ihre Gefühle kamen zum Ausbruch. Ich sah die Worte als Hasstiraden an.
In der Haltung unterschied ich mich nicht von den übrigen Anwesenden. Ich wollte auf keinen Fall bemerkt werden, zumindest nicht jetzt. Doch hin und wieder hob ich den Kopf hoch, um die Geliebte des Salomo zu beobachten.
Sie war wie von Sinnen. Da überschlugen sich die Worte, und sie wurden von wilden Bewegungen begleitet. Sogar das Funkeln in den Augen glaubte ich sehen zu können.
Jedes ihrer Worte war für die Versammelten wie der Balsam auf gequälte Seelen. Sie lauschten, sie gaben sich den schrillen Sätzen hin, und sie bewegten jetzt wieder ihre Körper auf und nieder. Genau diesen Rhythmus kannte ich. Nur dass sie in diesem Fall ihr ›She-ba‹ nicht mehr riefen. Das war nicht nötig, denn inzwischen war Amira da.
Ich hatte kein Interesse daran, so lange zu warten, bis die Frau die Männer hier aufgepeitscht hatte. Ich dachte auch weniger über mein Schicksal nach, das mich in diese Zeit verschlagen hatte, sondern daran, dass ich es in den Händen hielt, die Königin von Saba zu retten. Ich wollte nicht, dass diese Frau mit einem Schwert erschlagen wurde, auch wenn es einst dem König Salomo gehört hatte. Ich befand mich in der Höhle des Löwen, und hier wollte ich es zu Ende bringen.
Auf die Männer nahm ich keine Rücksicht. Sie huldigten der großen Amira. Es war mir recht. Wenn sie sich auf sie konzentrierten, war ich außen vor.
Neben mir bewegten sich die Körper, während ich mich langsam in die Höhe drückte. Natürlich überragte ich alle Anwesenden und kam mir vor wie das berühmte Schilfrohr, das sich gegen den Wind stemmte. Um mich herum zuckten die Leiber weiterhin auf und nieder. Auf dem Thron stand Amira als wilde Kämpferin. Sie schrie, sie forderte den Kampf heraus und sie bewegte sich hektisch, denn immer wieder schlug sie mit dem Schwert um sich. Manchmal stieß sie es nach vorn, um irgendwelche Feinde zu treffen, dann wieder schwang sie es wie eine siegreiche Trophäe über ihren Kopf hinweg.
Sie war nicht zu stoppen, sie wollte die Entscheidung in dieser Nacht und den Platz der Königin einnehmen, um sich an ihrer Stelle Salomo zu Füßen zu werfen, wie sie es schon mal getan hatte.
Niemand störte mich. Ich kam gut durch, auch wenn ich manchmal springen musste. Aber der mit Teppichen bestückte Thron rückte näher, und ich war froh darüber, dass ich diese Furie zumeist nur von der rückwärtigen Seite sah.
Es lief alles gut für mich. Keine Hand fasste nach mir, keiner stellte sich mir in den Weg, obwohl ich gesehen wurde, weil sich hin und wieder Köpfe anhoben, damit sich die Menschen umschauen konnten. Ich sah erstaunte Gesichter, weit geöffnete Augen, aber die Krieger waren so mit sich selbst beschäftigt und auch damit, ihrer Herrin zuzuhören, dass sie nichts unternahmen.
Über einen Körper, der lang auf dem Boden lag und sein verzerrtes Gesicht zeigte, sprang ich hinweg und stand dicht vor dem hinteren Ende der Erhöhung.
Amira schrie noch immer. Sie holte zwischendurch Luft. Es klang mehr wie ein wildes Keuchen. Die weichen, übereinander gelegten Teppiche machten es mir leicht, auf diesen seltsamen Thron zu klettern. Ich hatte auch Glück, dass sich Amira nicht umdrehte. Sie stand geduckt am anderen Rand, sie hatte sich zudem etwas nach vorn gebeugt, und die
Weitere Kostenlose Bücher