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Salon der Lüste - 3

Salon der Lüste - 3

Titel: Salon der Lüste - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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regelrecht verzweifelt.
    Samt beugte sich vor, stützte seine Ellbogen auf den Tisch und faltete die Hände.
    »Nun gut, Jungs, seien wir ehrlich: Wir alle wissen, dass sich nach den ersten beiden Morden niemand beim Yard ein Bein ausgerissen hat, um den Täter zu finden. Zwei tote Huren interessierten niemanden. Ihr seid erst bei der Schauspielerin richtig aufmerksam geworden - und bei dem Gerede, Jack the Ripper könnte wieder zurück sein.«
    Die Constables blickten schuldbewusst drein.
    »Ich bin froh, dass Ihr den Mistkerl jetzt unbedingt finden wollt, aber inzwischen sind fünf Frauen tot.« Fünf, genau so viele, wie Jack the Ripper zehn Jahre zuvor ermordet hatte. Es gab noch andere Opfer, die mutmaßlich von Jack umgebracht worden waren, doch keine wie diese fünf Frauen.
    Samt wurde kalt. »Und wenn ich mich nicht irre, ist er jetzt fertig.«
    »Sie meinen, Sie sind fertig, Mr. Saint?«, fragte Smythe.
    »Seien Sie kein Idiot! «, knurrte Saint ihn an.
    »Ähm«, mischte MacKay sich ein, der seine Zigarette in einer Untertasse neben Saints Ellbogen ausdrückte, »hüten Sie Ihre Zunge! Sie hielten sich auch 1888 in London auf, nicht wahr, Mr. Samt?«
    »Ich erinnere mich nicht«, erwiderte er mit einem strengen Blick auf den Constable.
    Doch MacKay ließ sich nicht einschüchtern. »Ich denke doch. Sie dürften zu dieser Zeit noch ein junger Mann gewesen sein, allerdings alt genug, um zu wissen, wie Sie jemanden ausweiden.«
    Jung? Fast hätte Saint laut gelacht. »Die ersten der jetzigen Morde wurden verübt, bevor ich in London ankam. Und der Ripper mordete in dem Sommer vor elf Jahren noch weiter, nachdem ich wieder fort war.«
    »Sie scheinen eine Menge über die Morde zu wissen«, bemerkte Smythe.
    Saint drehte sich zu dem stämmigen Detective um. »Und Sie nicht.«
    Die Hände auf den Tisch gestemmt, lehnte MacKay sich vor, bis er auf Augenhöhe mit Saint war. »Warum klären Sie uns nicht auf, Mr. Saint? Das ist doch Ihr richtiger Name, oder nicht?«
    Allmählich wurde es ihm zu dumm, und Saint stand auf. Sie hatten nichts gegen ihn in der Hand, wie sie sehr wohl wussten. Und festhalten konnten sie ihn ohnehin nicht
    - es sei denn, sie hatten irgendwo einen Silberkäfig.
    »Am verdächtigsten erscheint mir bisher ein Mann namens Jacques Torrent.«
    MacKay verzog das Gesicht. »Der Maler?«
    »Ja. Ich wollte ihm in Bälde einen Besuch abstatten.« Er lächelte liebenswürdig.
    »Wenn Sie möchten, dürfen Sie mich natürlich begleiten. Oder hatten Sie geplant, mich einzusperren?«
    Die Constables tauschten verwunderte Blicke. Offensichtlich waren sie es nicht gewohnt, dass Verdächtige mitten im Verhör aufstanden und gingen.
    »Glauben Sie ja nicht, Sie wären damit entlastet!«, sagte Smythe, als sie den Raum verließen, MacKay und er dicht an Saints Seiten. »Ich weiß, dass Sie sich schuldig gemacht haben, wenn auch nicht unbedingt der Morde.«
    Saint erlaubte sich ein träges Lächeln, während er gegen den Drang ankämpfte, lauthals loszulachen. »Haben wir das nicht alle?«, fragte er mit übertriebenem Ernst.
    Die Fahrt mit den Constables zu Torrent wurde zu einer veritablen Geduldsprobe für Saint. Allein wäre er sehr viel schneller hingekommen - und sehr viel ruhiger und unauffälliger. In den sechshundert Jahren vergaß er immer wieder, welchen Lärm Menschen machten, selbst wenn sie sich bemühten, leise zu sein.
    Sie fuhren in einer Kutsche, Saint eingeklemmt zwischen den beiden Männern, als wäre der Wagen nicht bereits klein und eng genug. Er hatte alle Mühe, nicht seine Fingernägel in das Dach zu bohren und es kurzerhand aufzureißen. Nach all den Jahrhunderten sollte man meinen, die alten Ängste würden sich irgendwann legen, doch das taten sie nicht. Sobald ihm Wände zu nahe rückten - und waren es auch nur so dünne wie diese -, erinnerte er sich wieder, wie es sich angefühlt hatte, in einer Kiste eingesperrt über den Ozean verschifft zu werden, in der die Ratten um ihn herumhuschten.
    Und dann wurde das Schiff unter ihm weggeschossen, und er ging unter. Gefangen in der Kiste sank er in den kalten dunklen Abgrund, weg vom Tageslicht, bis er nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Bis zum Einbruch der Nacht hatte er in der Kiste ausgeharrt. Einzig die Tatsache, dass er nicht atmen musste, rettete ihn. Dies und dass die Kiste einigermaßen wasserdicht war. In der Dunkelheit hatte er sich an die Oberfläche zurückgekämpft. Gott sei Dank fand er vor dem nächsten Morgen

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