SALVA (Sturmflut) (German Edition)
Egal, wie ich die Dinge
ordnen würde, am Ende hätte ich Schuldgefühle.
Es
war mein vierter Tag in Novi. Auf der Geldkarte war vielleicht noch genug für
eine Mahlzeit, meine Kleidung war von außen nass vom Regen und von innen
durchgeschwitzt. Ich suchte wieder eins der Institute auf, wartete bis alle in
den Klassenräumen waren, ging auf die Toilette und nahm eine Katzenwäsche. Es
half zwar nicht gegen den Schmutz in meiner Kleidung, aber ich fühlte mich
etwas besser. Und wenigstens war das Wasser dort warm und ich konnte mich ein
wenig abtrocknen. Ich versuchte auch meine Haare ein wenig zu waschen und
trocknete sie, so gut es ging, unter dem Handtrockner. Danach verließ ich das
Gebäude wieder. Nach meiner Begegnung mit Anna, hatte ich nicht mehr wirklich
nach Salva gesucht. Der innere Konflikt fraß mich langsam regelrecht auf. Ich
ließ Ihsan im Stich, aber wenigstens nicht für lange. Wenn ich hier versagen
würde, dann müsste ich wahrscheinlich sogar vor ihm sterben. Das war nur
gerecht. Ich spürte noch keine Entzugserscheinungen, war mir jedoch sicher, dass nach Tag Sieben
ein langsamer und grausamer Tod auf mich wartete. Vielleicht hätte ich noch
zwei, höchstens drei Tage, dann wäre alles vorbei. Ich spürte nicht direkt
Furcht, nur der Gedanke an die unerträglichen Schmerzen machte mir Angst. Über
die akuten Entzugserscheinungen war jeder bestens informiert:
Wahnvorstellungen, Atemnot, Schweißausbrüche, Übelkeit, heftige Krämpfe,
Kopfschmerzen, und schließlich Herzstillstand. Nichts davon klang angenehm und
schon gar nicht in Kombination mit einander. Ich ging weiter durch die Straßen
ohne ein wirkliches Ziel. Ich ließ meinen Blick schweifen, schaute durch die
Fenster in die Wohnungen im Erdgeschoss. Viele waren mit Kleidung oder
Bettlacken verhängt. Auf ein paar Fensterbänken hockten Katzen und starrten
zurück. Es waren die üblichen, erdrückenden Bilder, die ich auch schon in den
letzten Tagen aufgesogen hatte. Ich bog in eine kleine Gasse ein, in der ich
zuvor noch nicht war. Sie wirkte nicht sehr einladend. Ein umgestürzter
Container für Glas versperrte teilweise den Weg und je weiter man in die Straße
hinein ging, desto mehr Müll lag dort. Kaputtes Geschirr, völlig zerstörte
Möbel , sogar eine Matratze. Ich sah Absperrband der Polizei auf dem Boden
liegen und als ich auf sah, bemerkte ich es. Einer der Wohnkomplexe war fast
völlig ausgebrannt. Über den Fensterrahmen hatte das Feuer schwarze Spuren
hinterlassen und überall fehlten die Fenster, die durch die Hitze zerborsten
waren. Ich ging vorsichtig hinein. Jede Wohnung in den ersten zwei Stockwerken
war total zerstört. Nur teilweise durch den eigentlichen Brand. Es hatte den
Anschein, als wäre danach alles aus den Wohnungen entfernt worden, was noch
irgendwie von Wert war und was nicht mehr zu gebrauchen war, fiel der
unbändigen Zerstörungswut der Diebe zum Opfer. Alle verbliebenen Möbel waren zertrümmert.
Ich vermutete, dass sich dieses Bild auch in den oberen Stockwerken fortsetzte.
Ich ging bis in den fünften Stock und setzte mich dann in einer der Wohnungen
in einen Sessel, der noch einigermaßen heile erschien. Ich hatte nicht wirklich
gehofft hier etwas zu finden, was mir bei der Suche nach Salva weiter helfen
würde. Aber wenigstens hatte ich einen Ort gefunden, um die Nächte zu
verbringen. Es war trocken und komfortabler als ein Hauseingang. Ich schob den
Sessel zum Fenster und behielt die Straße unten im Auge, es wurde langsam spät
und wenn ich die Nacht in diesem Gebäude verbringen wollte, sollte ich
wenigstens ein wenig vorsichtig sein. Draußen war nicht viel los. Ich sah keine
einzige Person die Straße entlang gehen und auch an den Fenstern des gegenüber
liegenden Hauses tauchte nie jemand auf. Es war wie ein ausgestorbenes Stück
eines Stadtteils. Nach einer Stunde am Fenster, fielen mir immer wieder die
Augen zu, aber ich schlief nicht richtig ein. Meine Kleidung war immer noch
nass und ich fror. Nach kurzem Überlegen, beschloss ich zu schauen, ob
vielleicht noch brauchbare Kleidung in der Wohnung war. Ich sah mich um, fand
aber nicht einmal einen Kleiderschrank. Die Wohnung war wohl schon vor dem
Brand nicht mehr in einem sehr bewohnbaren Zustand. Die Tapete rollte langsam
von den Wänden und die verbliebenen Möbelstücke waren alle irgendwie kaputt.
Ein kurzer Blick ins Badezimmer verriet, dass sich hier schon länger niemand
gewaschen hatte. Es war verdreckt und in der
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