Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SALVA (Sturmflut) (German Edition)

SALVA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: SALVA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
Vom Netzwerk:
Badewanne stand einige Zentimeter
hoch, eine braune Suppe. Nur ein paar Fliegen fühlten sich dort wohl. Ich
versuchte es in der Wohnung nebenan. Auch dort war die Tür zuvor aufgebrochen
worden. Die Wohnung machte insgesamt einen besseren Eindruck, aber auch hier
war vieles einer blinden Zerstörungswut zum Opfer gefallen. Jemand hatte sogar
die Wände mit blauer Farbe beschmiert. Keine Worte, nur sinnloses Gekritzel. Es
war traurig. Vor nicht allzu langer Zeit hatte hier vermutlich eine kleine
Familie gewohnt. Dieser Ort war der Mittelpunkt ihres Lebens gewesen. Er war
voller Erinnerungen und eine sichere Zuflucht. Jetzt war es ein Tatort.
Entwertet und zertrümmert. Dieser Gedanke machte mich traurig. Es war so
sinnlos und es tat mir Leid, aber ich konnte mich jetzt nicht mit dem Elend
Fremder beschäftigen. Ich musste mich konzentrieren. Im nächsten Raum fand ich
ein paar alte Hemden in einer Kommode. Sie waren nicht ganz heile, weshalb man
sie wahrscheinlich zurückgelassen hatte. Ich pellte mich aus meinen
durchnässten Sachen und zog zwei der Hemden über einander, dann ging ich zurück
zu meinem Sessel. Ich breitete, meine Sachen über der Lehne aus, so dass sie
etwas trocknen konnten. Mittlerweile war es völlig dunkel geworden. Zum ersten
Mal, seit ich in Novi war, schlief ich für ein paar Stunden durch. Ich hatte
wieder diesen Traum, ich würde auf der Straße knien mit Radus totem Körper in
meinen Händen, nur diesmal war mein Vater nicht da. Es war Ihsan. Er richtete
auch keine Waffe auf mich, er sah mich nur an mit einem vorwurfsvollen Blick
voller Schmerz. Ich flehte ihn an mir zu vergeben. Ich sagten ihm, wie Leid es
mir tat und dass ich doch schon alles verloren hatte. Dass ich es wieder gut
machen würde, wenn er mich nur ließe. Er drehte sich einfach um und ging. Ich
vergrub mein Gesicht in Radus Brust. Ich konnte ihn riechen und sein Körper war
noch warm. Vergeblich lauschte ich nach seinem Herzschlag, aber wusste, was ich
hörte, war nur mein eigener. Dann hörte ich tatsächlich einen metallischen
Knall und erwachte aus meinem Traum. Für ein paar Sekunden, war ich mir nicht
sicher, ob ich wach war oder noch schlief. Dann raste mit einem Mal das
Adrenalin durch meinen Körper, als ich Stimmen im Hausflur des Komplexes hörte.
Ich sprang auf, zog meine Jacke an und lief zu den Treppen. Ich konnte zwei
Männer reden hören. Ich versteckte mich hinter der Wohnungstür und wartete, bis
sie an meinem Stockwerk vorbei waren. Noch einen kurzen Moment, dann rannte ich
nach draußen. Ich hatte einfach im Gefühl, dass ich ihnen nicht in einem verlassenen
Haus begegnen wollte.

 
    Tag
Sieben. Die Entzugserscheinungen trafen mich plötzlich und heftig. Am Vortag
ging es mir noch einigermaßen gut, nur leichte Kopfschmerzen. Jetzt hatte ich
das Gefühl, mein Kopf würde explodieren. Mein Herz raste, mein Magen krampfte
sich immer wieder zusammen und meine Hände waren Schweiß gebadet. Ich konnte
kaum noch klar sehen, alles verschwamm vor meinen Augen und obwohl nichts mehr
in meinem Magen war, musste ich mich immer wieder übergeben. Es war nur gelber
Schleim und etwas Magensäure. Ich taumelte durch die Straßen und fragte immer
wieder irgendwelche Menschen, ob sie Salva kannten. Viele gaben mir nicht mal
eine Antwort. Sie konnten sich vermutlich nicht erklären, warum ich in diesem
Zustand war. Andere schüttelten nur den Kopf. Ich tat es aus Verzweiflung,
getrieben von Schuldgefühlen. All die Tage konnte ich den Gedanken nicht
abschütteln, es nicht einmal wirklich versucht zu haben. Ich hatte Ihsan
einfach aufgegeben und mich selbst auch. Ich hatte auch die letzten Nächte in
dem ausgebrannten Haus verbracht und hatte tagsüber versucht etwas von den
Arbeitern aus der Chemiefabrik zu erfahren, aber das hatte nichts gebracht. Ich
hatte nichts erreicht. Jetzt tat ich das, was ich all die Tage schon hätte tun
sollen: Einfach alles Mögliche. Ich wusste nicht genau wie miserabel ich
aussah, die Reaktion der Leute ließ es jedoch erahnen. Den morgigen Tag würde
ich auf keinen Fall überstehen. Ich fühlte mich mit jeder Minute, die verging,
schlechter und war weniger in der Lage noch klar zu denken. Immer wieder musste
ich mich hin setzten, weil mir die Kraft zum Gehen fehlte und alle Glieder
schmerzten. Ich sah auf und merkte, dass der Regen die Farben von allem spülte.
Der Boden war voller Regenbogen, die sich wie kleine, bunte Schlangen durch das
Wasser bewegten. Die riesigen Wohnkomplexe

Weitere Kostenlose Bücher