SALVA (Sturmflut) (German Edition)
waren eingerahmt von einem hellen
Licht, als würde direkt hinter ihnen die Sonne aufgehen. Mein Kopf pulsierte
vor Schmerzen und ich hatte das Gefühl, langsam in dem Gemisch aus Wasser und bunten
Schlangen zu versinken. Ich wollte mich befreien und kämpfte mich aus dem
Wasser. Überall waren Hände. Sie hielten mich fest und zerrten an mir. Ich
schlug sie weg, doch es wurden immer mehr. Ich konnte nicht mehr und lief
einfach los. War das die Realität? Was geschah mit mir? Mein Verstand dröhnte
wie ein Hornissennest. Die Hände verfolgten mich und egal was ich auch
versuchte, ich kam kaum voran. Ich war mir nicht sicher, ob ich Schreie hörte
oder selbst vor lauter Panik schrie. Das Wasser blockierte mich und die Straße
vor mir wurde immer schmaler. Plötzlich waren die Häuser verschwunden. Vor mir
war nichts außer Wasser. Es bewegte sich so schnell, dass meine Augen von dem
Anblick schmerzten. Weißes Rauschen. ungeheures Tosen und kraftvoller Strom. Es
wirkte wie der Vorhof zu einer nassen Hölle. Es schien langsam zu steigen, bis
ich schon fast mitten drin stand. Es war eine Flut. Die Flut würde mich
fortreißen. Ich hatte keine Kraft mehr um mich zu wehren und gab meinen Beinen
den Befehl einfach nachzugeben. Meine Finger fuhren in etwas Kaltes und
Matschiges und mein Körper war unkontrolliert in Bewegung. Ich wunderte mich,
warum das Wasser meine Lungen nicht füllte und erst dann spürte ich diesen
stechenden Schmerz von Kälte an meinem Körper, wie tausende kleiner Stacheln
aus Eis. Ich wollte aufschreien, doch die Kälte drückte die Luft aus meinen
Lungen. Die Flut würde mich holen. Es war okay. Sie würden meinen Körper
niemals finden. Ich bat Ihsan um Verzeihung. Ich sagte mir selbst, ich würde
auf ihn warten. Dann verlor das Bewusstsein.
6
Ich
war noch am Leben. Mein Verstand schwankte zwischen Wachphasen und einem
Dämmerzustand, der immer wieder von höllischen Schmerzen unterbrochen wurde.
Manchmal mischten sich schreckliche Bilder in meine Erinnerungen und formten
kurze, aber intensive Alpträume. Darin schwamm ich mal durch einen Fluss voller
Leichen und ein anderes Mal sah ich brennende Körper durch die Straßen laufen
und als sie begannen zu schreien, erkannte ich meine eigene Stimme. Ich fühlte
mich wie gefangen in einer Blase voll Schwärze. Dort gab es weder Tage noch
Stunden, Raum oder Licht. Für einen unbestimmten Zeitraum hatte ich das Gefühl,
nicht zu existieren. Alles, bis auf eine winzige Ecke meines Verstandes, war ausgelöscht.
Nach dem die Schmerze und die Bilder langsam verschwunden waren, trieb dieses
Stückchen „Ich“ einfach durch das Dunkel. Ich hielt mich daran fest und es war
für eine lange Zeit einfach still.
Langsam
kam ich wieder zurück ins Leben. Immer wieder wurde die Schwärze von
verschwommenen Bildern und dumpfen Stimmen unterbrochen, doch ich erlebte es
nur passiv. Ich konnte nicht sprechen oder mich bewegen. Als ich zum ersten Mal
wieder richtig wach wurde, lag mein Kopf auf einem durchnässten Kissen und mein
Körper war so kraftlos, dass ich mich kaum bewegen konnte. Es fühlte sich so
an, als hätte man mich dem Tod in letzter Minute aus den Klauen gerissen. Ich
hob kurz den Kopf und sah mich um. Der Raum um mich herum war ein gewöhnliches
Schlafzimmer. Die Wände waren himmelblau und weiße Gardinen bewegten sich
leicht hin und her. Neben meinem Bett stand ein Nachttisch mit einer Uhr
darauf, doch ich konnte von meiner Position aus die Uhrzeit nicht erkennen. Nur
das rhythmische Ticken der Zeiger war zu hören. Es roch nach frischer Wäsche
und in der Ecke stand ein Stuhl auf dem meine Kleidung lag. Ich ließ den Kopf
wieder auf das Kissen sinken und sah unter die Decke. Ich hatte nichts an außer
einem weißen Höschen, das nicht meines war. Ich versuchte meinen rechten Arm zu
bewegen und stellte, fest, dass er an einem Tropf hing. Der untere Teil des
Arms war in einen dünnen Verband gewickelt. Ich wollte wissen, was da gerade in
meinen Körper lief, also nahm ich all meine Kraft zusammen und setzte mich auf.
Sofort raste mein Puls und mir wurde schwindelig. Bereits dieses bisschen an
körperlicher Anstrengung laugte mich aus und meine Atmung wurde schneller. Ich
sah auf den Beutel und las in verschwommener Schrift Nährlösung darauf.
Es klopfte an der Tür und im nächsten Moment ging sie schon auf. Es war Anna.
Die junge Frau, die ich
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