SALVA (Sturmflut) (German Edition)
hast, wie man Europa von außen
sieht.“
„Ihr führt Krieg gegen uns.“
„Naja, nicht der ganze Rest der Welt,
aber ja, schon irgendwie. Woher weißt du das?“
„Ich wusste es nicht, ich habe es mir
gedacht.“ Aljoscha sah mich überrascht an. Scheinbar war er beeindruckt, wie
aufmerksam ich die kleinen Zeichen wahrgenommen hatte. Wieder ein Lächeln auf
seinem Gesicht. Ich bekam plötzlich einen völlig neuen Eindruck von seiner
Persönlichkeit. Er wirkte herzlich, direkt harmlos. Er konnte sich tatsächlich
gut verstellen. Ich fragte mich, wie er wirklich war. Eine Mischung aus allem,
was ich bis jetzt von ihm kannte?
„Schon seit längerem werden Personen
wie ich nach Europa eingeschleust um andere zu befreien. Menschen, die
erkennen, welches Grauen hinter diesem System steckt, aber vor allem solche,
mit Fähigkeiten um die Regierung der Vereinten Staaten von Europa zum Fall zu
bringen. Aktive Helfer.“ Er musste nichts weiter erklären, ich verstand
bereits. Er meinte meine Fähigkeiten als Hackerin. Er glaubte, ich könnte damit
wahren Schaden anrichten. Es reichte, damit Petak mich loswerden wollte, also
war seine Einschätzung vielleicht nicht falsch. Ich sah auf die Infusion, die
man mir gelegt hatte.
„Wie funktioniert das mit der
Immunisierung?“
„Es ist kompliziert.“ Ich wartete einen
Moment, doch Aljoscha machte keinen Versuch es zu erklären. Ich wurde etwas
genervt.
„Ich denke, ich werde es schon
kapieren.“
„Vielleicht später. Du solltest jetzt
aufstehen und dich fertig machen, dann sehen wir zu, dass wir etwas Essen in
dich hinein bekommen. Da ist das Badezimmer. Wenn du fertig bist, komm raus zu
uns.“ Er zeigte auf eine Tür, nahm dann meinen Arm, entfernte vorsichtig die
Nadel für die Infusion, holte ein großes Pflaster aus der Nachttischschublade
und klebte die Stelle sorgfältig ab. Danach verließ er mit einem Lächeln den
Raum. Ich stand vorsichtig auf, nahm meine Sache und ging zu der Tür, hinter
der das Badezimmer liegen sollte. Drinnen lagen Handtücher und alles weitere
für mich bereit. Mir war immer noch etwas schwindelig, also entschied ich mich,
nicht zu heiß zu duschen. Ich traute meinem Kreislauf noch nicht. Nach dem
Abtrocknen, warf ich einen Blick auf mich selbst im Spiegel. Meine Lippen
hatten fast die gleiche Farbe, wie der Rest meines Gesichtes und ich konnte
meine Rippen zählen. Tatsächlich sah ich so aus, wie ich mich fühlte. Miserabel
und kraftlos. Ich nahm meine Sache und fing an mich anzuziehen. Tatsächlich
waren es nur noch meine Hose und mein BH. Die zerrissenen Männerhemden hatte
man gegen ein Shirt und einen Pullover ausgetauscht. Ich trocknete noch meine
Haare, verließ dann das Bad und ging zurück in das Zimmer, in dem ich lag um
meine Schuhe zu suchen. Sie waren nicht da. Dafür standen dort ein Paar
Turnschuhe, die fabrikneu aussahen. Es war offensichtlich, dass sie für mich
waren, also zog ich sie an. Sie passten fast perfekt. Bevor ich den Raum
verließ, sah ich noch einmal aus dem Fenster. Ich war nicht mehr in der Stadt.
Ringsum waren nur Felder und ein paar Bäume. Ein schmaler Schotterweg führte zu
dem Haus, in dem ich mich befand. Vermutlich war ich in einem Dorf, weiter
außerhalb der Stadt. Wo genau, konnte ich nicht sagen. Ich verließ das Zimmer
und fand Anna in der Küche des kleinen Hauses. Sie saß am Tisch und auf einem
leeren Platz stand ein Teller mit Suppe. Auch das Essen war offensichtlich für
mich bestimmt, also setzte ich mich und fing langsam an zu essen. Erst, als ich
den ersten Löffel genommen hatte, wurde mir bewusst, wie hungrig ich war. Am
liebsten, hätte ich den ganzen Teller leer gegessen und das noch so schnell wie
möglich, aber ich ließ die Hälfte übrig. Es war für Ihsan. Eine Geste des
Mitgefühls, die man in meiner Heimat praktizierte. Man gab etwas von sich
selbst, etwas, was einem wichtig war und ließ es dieser bestimmten Person als
Zeichen der Verbundenheit. Du hast noch einen Platz bei mir und ich Teile
etwas Wichtiges mit dir. Viele legten Luxusgüter beiseite oder Kleidung.
Dinge, an denen man wirklich hing und die nicht leicht aufzugeben waren. Diese
Sachen wurden gepflegt und sorgsam verwahrt, wie richtiger Besitz der
verstorbenen Person. Nicht selten war es auch Schmuck oder Geld. Im Moment
besaß ich Nichts, also teilte ich das, was mir in
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