SALVA (Sturmflut) (German Edition)
hatten ebenfalls Verletzungen im
Gesicht und an den Händen. Immer wieder tauschten sie Blicke zwischen einander
aus. Irgendetwas an ihnen war mir gar nicht geheuer. Sie waren gefährlich, das
konnte ich sofort spüren. Die Frauen schienen zwar äußerlich unverletzt zu
sein, eine von ihnen wirkte dafür aber psychisch völlig kaputt. Sie war
vermutlich Mitte 30 und hatte langes, blondes Haar, wippte die ganze Zeit
leicht mit ihrem Oberkörper hin und her und flüsterte dabei unverständliche
Sätze vor sich hin. Ihr Blick war panisch und ruhte nie länger als für zwei
Sekunden auf einem Punkt. Vermutlich stand sie unter Schock und ich fragte
mich, was sie verbrochen haben konnte um hier zu landen. Ihr jetziger Zustand
demonstrierte, dass sie Ausnahmesituationen nicht gewachsen war. Würde so
jemand sich wissentlich gegen die Grundsätze der Vereinten Staaten stellen? Die
beiden anderen Frauen waren ebenfalls in meinem Alter. Eine von ihnen hatte
kurze, braune Haare und maskuline Gesichtszüge. Der Rest von ihrem Körper war
sehr kräftig gebaut für eine Frau. Die andere hatte rote Haare und stechend
blaue Augen. Auch der Rest ihrer Kleidung hatte auffällige Farben. Ihr Gesicht
war auf eine merkwürdige Weise schön. Ihre Wangen waren etwas zu hoch, ihre
Augen standen etwas zu weit auseinander und ihre Nase war ein bisschen zu groß
für den Rest ihres Gesichtes und doch war sie sehr hübsch. Alles zusammen
machte sie so interessant, dass es mir schwer viel wieder wegzusehen. Ich
versuchte mir vorzustellen, warum die anderen hier waren. Sie mussten alle
etwas getan haben, was in den Augen der Regierung ein Verbrechen schlimmster
Art darstellte. Das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie alle
Rebellen waren. Vielleicht waren unter ihnen Mörder. Vielleicht auch Deserteure
oder weitere Spione. Ich musste wieder an Aljoscha denken und hoffte, dass er
stark genug war, Brankos Schläge wegzustecken. Ich wusste, was er leisten
konnte. Ein paar Schläge konnten ihn unmöglich brechen oder ernsthaft
verletzen, davon war ich überzeugt. Er war im gleichen Zug, also brachte man
uns vermutlich auch in die gleiche Stadt. Das Erste, was es zu tun galt, war
also Aljoscha ausfindig zu machen. Ich hatte noch keine Idee davon, wie groß
die Stadt sein würde aber ich musste es in jedem Fall versuchen. Ich lehnte
mich zurück und schloss die Augen. Meine Gedanken konnte mich nicht mehr von
meinen Hunger und meinem schrecklichen Durst ablenken. Ich brauchte dringend
Wasser. Meine Lippen waren bereits spröde und rissig geworden und mein Mund war
völlig ausgetrocknet. Die Fahrt konnte nicht mehr lange dauern. Wenn es
stimmte, was Aljoscha gesagt hatte, dann befanden sich fast alle Todesstädte
nahe der Grenze und die musste ganz in der Nähe sein. Ich überdachte noch
einmal meine Pläne. Bevor ich mich auf die Suche nach Aljoscha machen würde,
musste ich Wasser auftreiben. Ich wusste nicht genau, wie unsere Ankunft
ablaufen würde, aber ich nahm nicht an, dass man uns alle zusammen rein
schicken würde. Vermutlich würde Aljoscha irgendwo am anderen Ende der Stadt hinein
gebracht werden. Vielleicht hatte die Einteilung der Wagons etwas zu bedeuten.
Ein Wagon, eine Gruppe. Genau so würde man uns hinein schicken. Ich versuchte
in meinem Kopf Belege für meine Theorie zu finden, doch es war mir unmöglich,
mich zu konzentrieren. Falls meine Idee sich bewahrheiten würde, war Wasser und
Essen auftreiben definitiv erste Priorität. Es wäre unmöglich für mich, so viel
Strecke in meinem jetzigen Zustand zu schaffen. Zu meinem Durst kam Erschöpfung
dazu, aber ich hielt mich mit aller Kraft wach. Meine Angst war zu groß, im
Schlaf zur Seite zu rutschen und wieder einen Stromschlag zu bekommen. Die
Schmerzen waren höllisch. Wäre mein Körper nicht sowieso völlig ausgetrocknet
gewesen, hätte ich vermutlich die Kontrolle über meine Blase verloren. Ich
versuchte die Augen offen zu halten, doch sie fielen immer wieder zu. Die
Anspannung der letzten Stunden hatte meinen Körper völlig ausgezehrt. Ich
dachte darüber nach, wie lange es überhaupt möglich war in diesem Zustand zu
überleben. Ich war erschöpft und konnte mich nicht konzentrieren, das machte
mich zu einem leichten Opfer. Innerlich, versuchte ich mich darauf
einzustellen, vielleicht die ersten fünfzehn Minuten nicht zu überstehen.
Dieser Gedanke war so irreal. Noch vor ein paar Wochen war mein Leben normal.
Es war nicht besonders glücklich und ich lebte nicht
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