SALVA (Sturmflut) (German Edition)
in einer heilen Welt, aber
jeder Tag war normal. Ich legte das Gesicht in meine Hände und Scham überkam
mich. Wie konnte ich solche dummen Gedanken haben? Mein Leben war nicht normal,
es war nie normal gewesen. Alles an einem Leben hier war einfach falsch. In
meinen Gedanken zu flüchten brachte gar nichts. Ich war nur von mir selbst
angewidert, wie ich so feige sein konnte. Ich hatte mir geschworen zu kämpfen
und jetzt wollte ich nicht wahr haben, was um mich geschah. Das war die
Realität und egal wie es dazu kam, ich sollte diesen Weg gehen. Es gab nur die
Flucht nach vorn. Hinter mir war nichts mehr. Egal wie klein die Chancen waren
zu überleben, es war die einzige Möglichkeit überhaupt zu leben. Ich wollte
Freiheit und ich würde sie nur so bekommen. Ich fuhr vorsichtig mit meinem
Zeigefinger über mein Halsband und fragte mich, welche Funktionen es noch
erfüllte. Wenn man tatsächlich einen Ausweg aus der Stadt finden würde, waren diese
Halsbänder vermutlich dazu da, die Flucht zu beenden. Ich erinnerte mich wieder
an Brankos Worte. Ich war seine Beute und er hatte sichergestellt, dass er mich
auch überall finden konnte, egal wohin ich lief. Er würde mich jagen, nur würde
es keine faire Jagt sein. Ich war ein Tier in einem Käfig.
9
Der
Zug kam so abrupt zum Stehen, dass ich nach vorne geschleudert wurde. Mein
ganzer Körper zuckte zusammen, in Erwartung auf den nächsten Stromschlag, doch
er kam nicht. Ich achtete darauf, ob Schritte zu hören waren, doch es herrschte
völlige Stille. Selbst nach einigen Minuten tat sich nichts und in mir wuchs
die Nervosität. Auch den anderen konnte man die Anspannung deutlich ansehen.
Ich lehnte mich zurück und versuchte ruhig zu bleiben. Vielleicht würde die
nächsten Stunden nichts passieren und die Anspannung würde nur unnötig Kraft
kosten. Aus den Augenwinkeln behielt ich die anderen Personen im Auge. Die
Fingerspitzen des leblosen Mannes waren mittlerweile ganz blau geworden. Es
bestand kein Zweifel mehr daran, dass er tot war. Der Rest harrte genauso aus,
wie ich. Der ältere Mann mit dem breiten Kreuz hob den Kopf und sah sich mit
einem misstrauischen Blick um. Seine Nasenflügel bewegten sich auffällig hin
und her. Das lenkte nicht nur meine Aufmerksamkeit auf ihn, auch die anderen
sahen nun zu ihm rüber, doch niemand sagte ein Wort. Die rothaarige Frau fing
ebenfalls an scharf die Luft durch die Nase zu ziehen und in dem Moment nahm
auch ich es war. Ein süßlich stechender Geruch, wie von verbranntem Zucker lag
in der Luft. Ich schlug die Hände vor das Gesicht und versuchte flach zu atmen.
Auch die anderen schützen ihr Gesicht, nur der blonde Junge, den ich für
deutlich jünger hielt als der Rest, versuchte nicht etwas zu unternehmen. Das
Gas konnte nicht tödlich sein, trotzdem sagten mir alle meine Instinkte, es
besser nicht einzuatmen. Mich überkam langsam ein Schwindelgefühl und ich fing
an, alles doppelt zu sehen. Ich sah, wie die anderen nach und nach das
Bewusstsein verloren und auch ich konnte nicht mehr länger dagegen ankämpfen.
Erst verlor ich jegliches Gefühl in meinem Körper, dann wurde alles schwarz.
Ich
konnte Krähen hören. Zumindest glaubte ich, dass es Krähen waren. Sie mussten
ganz nah sein. Das war kein Traum. Ich kam langsam zu mir. Als ich meine Augen
öffnete, war alles verschwommen und es dauerte ein paar Sekunden, bis ich
wieder klar sehen konnte. Mein Kopf tat weh und ich fühlte mich benommen. Der
Ort an dem ich mich befand, war mir völlig unbekannt, tatsächlich war mein
erstes Gefühl Verwirrung. Ich setzte mich mit einem Ruck auf und sah mich um.
Mir fehlte jegliche Orientierung. Ich war in einem Gebäude, doch es war kalt
und windig. Ein Blick nach oben offenbarte wieso. Die Hälfte des Daches fehlte
und das Haus, in dem ich mich befand, war nur noch eine Ruine. Es war Tag,
jedoch so bewölkt, dass nicht wirklich viel Licht durchdrang und ein fauliger
Geruch lag in der Luft. Ich stand vorsichtig auf, nicht ganz sicher, wie gut
meine körperliche Verfassung war. Mich überkamen sofort Schwindel und leichte
Übelkeit. Ich war noch immer völlig dehydriert und mein Körper ließ es mich
spüren. Für einen Moment musste ich mich mit aller Kraft darauf konzentrieren,
nicht wieder umzufallen. Ich sah mich weiter um und mein Blick fiel in eine
Ecke des Gebäudes, aus der auch das Krähen
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