Salvatore, R.A. - Todfeind2
verkniffenes Lächeln zustande, das Cadayle und Callen unmissverständlich zeigte, dass er ihnen zuliebe – aber widerwillig – seine Bemühungen für diesen Tag einstellte.
»Ich werde so geduldig sein, wie ich kann«, versprach er seiner Frau. Trotz seiner Enttäuschung klangen die Worte ernst und aufrichtig.
»Ich liebe dich«, sagte Cadayle.
»Mit oder ohne den Edelstein«, fügte Callen hinzu.
Bransen leckte sich das Blut von der Lippe.
Wie konnte er nur gleichzeitig so glücklich und vom Pech verfolgt sein?
Und wie, fragte er sich, während er mit der Hand nach seiner Stirn tastete, um den sicheren Sitz des Edelsteins zu überprüfen, konnte er seine heilende Magie schätzen und zugleich hassen? Der Seelenstein befreite ihn von seinen Behinderungen und machte ihn zu einem vollwertigen Wesen – ja, sogar zu einem Helden. Aber gleichzeitig fesselte er ihn und ließ ihn von den Kräften, die ihm innenwohnten, abhängig werden.
Er wollte davon frei sein, konnte diese Freiheit jedoch nicht ertragen.
»Du bist besser dran als zu der Zeit, ehe du den Seelenstein fandest«, sagte Cadayle. Sie deutete mit einer ausholenden Geste auf den zerklüfteten und mit Baumwurzeln bedeckten Weg. »Dieser Untergrund mag dich vielleicht zu Fall bringen, aber in deiner Jugend hatte dich schon das kurz geschnittene Gras im Hof des Klosters des Öfteren auf der Nase landen lassen.«
»Ki-chi-kree«, sagte Bransen.
»Der Versprechen des Jhesta-Tu«, meinte Cadayle zustimmend. »Du wirst diese Behinderung überwinden.«
»Du hast es bereits geschafft«, fügte sie hinzu. »Du hast sie mit deinem Geist besiegt, ehe du deine Gliedmaßen hast unter Kontrolle bringen können. Für andere warst du der Storch. Die einen machten sich über dich lustig, die anderen empfanden aufrichtiges Mitgefühl mit dir. Aber du warst immer Bransen. Und du wirst immer Bransen sein, ob mit oder ohne Seelenstein, ganz gleich, ob du den Seelenstein brauchst, um einen unsicheren Weg zu bewältigen.«
Bransen Garibond schloss die Augen und atmete tief ein, um mit einem kräftigen Ausatmen seine gesamte Hilflosigkeit loszuwerden. »Ich habe meinen wahren Vater nie gekannt«, sagte er, und Cadayle und Callen nickten, denn sie kannten diese Geschichte nur zu gut. »Er studierte die Jhesta-Tu. Er war in der Wolkenfeste. Er kopierte ihr Buch – das gleiche Buch, das Garibond mich lehrte, als ich noch jung war. Er wird die Antworten wissen.«
»Oder er zeigt dir, wo du sie suchen musst.«
Bransen nickte, sein Lächeln wirkte echt und voll aufrichtiger Hoffnung. »Garibond erzählte mir, er habe die Kapelle Abelle im Norden aufgesucht. Wenn ich ihn finden kann …«
»Bran Dynard war ein guter Mann«, sagte Callen und trat neben ihre Tochter. »Ihm verdanke ich mein Leben – ebenso wie SenWi. Er wusste, weshalb ich auf der Straße ausgesetzt wurde, um zu sterben, und weshalb ich den Biss der Schlange annahm. Er wusste, dass seine Oberen in seiner Kirche meiner Hinrichtung beiwohnten und sie mit ihrem Schweigen entschuldigten. Und dennoch kämpfte er mit den tückischen Pauris für mich und versteckte mich unter größter persönlicher Gefahr. Du ähnelst ihm in vielem, Bransen. In dir steckt seine Rechtschaffenheit und sein Gerechtigkeitssinn. Körperliche Stärke ist nichts, wenn man sie dagegen abwägt.«
»Ich werde meine körperliche Stärke finden«, erwiderte Bransen. »Sie ist da – der Seelenstein zeigt es mir. Ich werde diese Behinderung überwinden.«
Callen nickte. »Ich würde niemals an dir zweifeln, und ich bin doppelt gesegnet, erst von deinem Vater und danach auch noch von dir, dem Wegelagerer, gerettet worden zu sein.«
Cadayle kam herüber und ergriff Bransens Arm. »Fünf Meilen?«, fragte sie.
»Das wären dann sieben für den Tag«, sagte Bransen. »Und sieben werden wir morgen schaffen.«
Cadayle hob den Kopf, um besser in die Augen ihres eigensinnigen Gatten blicken zu können.
»Zwei ohne den Edelstein?«, fragte sie.
»Zweieinhalb«, erwiderte er knapp.
Auf Callens Lachen hin sahen sie beide zu ihr hin. Sie stand da und hatte Doullys Zaumzeug in der Hand. »Und dabei heißt es, dass mein Wanderfreund für seine Sturheit berühmt ist«, meinte Callen und schüttelte die Führleine des Esels.
Daraufhin lachten alle drei, und sogar der gute alte Doully beteiligte sich mit einem Schnauben und einem Wiehern daran.
5
EIN VERDAMMT MIESER HAUFEN
Es rief ihn aus den fernen Nischen der Finsternis, ein
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