Salvatore, R.A. - Todfeind2
überrumpelte Toniquay den jungen Mann mit seiner Frage. Androosis wandte sich zu dem selbstgefälligen Schamanen um und stellte fest, dass ihn vier Augenpaare erwartungsvoll anstarrten.
»Zeit, die man auf dem Mithranidoon verbringt, ist niemals vergeudet, Meister«, antwortete Androosis gehorsam und wandte sich wieder ab.
»Gut gesprochen!«, lobte Toniquay und fügte dann in ernsterem Ton hinzu: »Aber glaubst du das auch wirklich?«
Sie spürte die brodelnde Lava unter ihren Füßen, rief sie an diesem Tag aber nicht zu sich. Denn Milkeila hatte zu dieser Zeit keinerlei Pflichten zu erfüllen und benutzte ihre magische Verbindung mit der Erde aus keinem anderen Grund als dem, sich ihre Kräfte bewusst zu machen – magische Energie, die von ihren Mit-Schamanen und von den Älteren als ziemlich bedeutend betrachtet wurde. Die Frau brauchte zu diesem Zeitpunkt diese Bestätigung, denn sie hatte am Morgen gesehen, wie Androosis zusammen mit Toniquay das Boot bestieg. Milkeila war nicht dumm. Sie erkannte die Bedeutung von Toniquays ungewöhnlichem Ausflug auf den Mithranidoon.
Eine Handvoll von Milkeilas Freunden teilten ihren Traum, den Mithranidoon zu verlassen. Das beruhte auf einer Wanderlust, die drei Jahre zuvor durch die Ankunft der abellikanischen Mönche geweckt worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte niemand von ihnen gewusst, dass jenseits der Gestade des Mithranidoons eine weitere Welt existierte, zumindest keine, die von Menschen bewohnt wurde.
Es war vorwiegend leeres Gerede gewesen, ein Ausdruck jugendlicher Ruhelosigkeit. Für Milkeila jedoch besaß das Gerede einen ernsthaften Kern. Sie wollte diese Welt tatsächlich sehen! Ihre Liebe zu Cormack hatte sie in diesem Wunsch natürlich nur bestärkt, da hier auf dem Mithranidoon niemals eine Ehe daraus würde – so etwas ließen die Älteren, vor allem Toniquay, niemals zu!
Die sechs Verschwörer hatten die Angelegenheit für mehr als ein Jahr fallen lassen und den Plan an einem sicheren, weit entfernten Ort deponiert, als Milkeila sie alle damit überrascht hatte, indem sie ihn vor nur zwei Monaten erneut aufgriff.
Die junge Schamanin hatte ihren Fehler fast augenblicklich erkannt. Sie und ihre Freunde wurden volljährig und würden bald feierlich in den Kreis der Erwachsenen des Yan Ossum aufgenommen werden. Jugendliche Träume würden von neuen Pflichten ersetzt werden. Milkeila hatte nicht die geringsten Zweifel, dass zumindest einer der sechs, Pennerdar, mit der Neuigkeit zu den Älteren gerannt war, und während die Älteren sie zwar nicht offen zur Rede gestellt hatten, bemerkte sie sehr wohl die – nicht allzu freundlichen – Blicke, die Toniquay ihr immer häufiger zuwarf. Noch an diesem Morgen, kurz bevor er Androosis gerufen und befohlen hatte, ihn auf dieser Fischfangtour zu begleiten, hatte er sie mit seinen Blicken nahezu erdolcht.
»Androosis«, dachte Milkeila laut. Der Klang ihrer eigenen Stimme störte ihre Konzentration und trennte die Verbindung zu jener Erdkraft tief unter ihr. Natürlich war es Androosis, den Toniquay für seinen Ausflug auf den Mithranidoon ausgesucht hatte, denn nur er hatte Interesse bekundet, als Milkeila eine Reise in die Welt jenseits der Gestade des Mithranidoons vorgeschlagen hatte.
Milkeila machte einen tiefen Atemzug und blickte unwillkürlich nach Südosten, zur Kapelle Isle, die vollständig vom Nebel verhüllt war. Sich aufs Neue konzentrierend, tauchte die Schamanin tief in die heißen Kräfte ein, die unter dem See wogten. Mit einer Hand griff sie nach der geheimen Edelsteinhalskette auf der Suche der dort verborgenen zusätzlichen Energie. Ein Gefühl der Dringlichkeit erfasste sie. Wenn sie die Geheimnisse der Steine entschlüsseln könnte, wenn sie einen Weg fände, deren Kräfte mit ihren eigenen zu vereinen, dann mochte sie vielleicht einige Antworten auf die Fragen finden, die Toniquay ihr ganz sicher irgendwann stellen würde.
Die Kraft kitzelte sie, wollte sich aber nicht entfalten. Sie konnte sich nicht mit der Magie verbinden, so wie sie ihre Seele mit Cormack verbunden hatte. Mehrere Minuten lang sammelte sie sich, bis sie spürte, wie die schamanische Magie sie zu durchströmen begann, wie sie geradezu darum flehte, freigelassen zu werden, als würde sie sonst ihr Fleisch und ihr Blut verzehren. In diesem Augenblick eines magischen Höhepunkts berührte Milkeila die Edelsteine und spürte …
Nichts.
Erdmagie umwaberte ihre Gestalt. Kleine Flammen loderten auf, verbanden
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