Salvatore, R.A. - Todfeind2
besaß viele profitable Handelsgüter für Honces Bedürfnisse. Doch in diesen Kriegszeiten war nichts gefragter als Rentierflechte.
»Die Fürsten werden gut dafür bezahlen«, gab Bruder Pinower zu.
»Daraus wird die Kapelle Abelle wohl ihren Nutzen ziehen«, erklärte Dawson. »Denn ich habe keine Zeit, meine Waren nach Südosten oder Südwesten zu schaffen, und mein Schiff kehrt auf kürzestem Weg nach Vanguard zurück, wenn ich von Eurem Dock ablege, es sei denn, ich werde zu einem Umweg über Palmaris-Stadt gezwungen.«
»Wir haben natürlich einige Waren«, sagte Bruder Pinower. »Und etwas Geld.«
»Etwas? Gerüchte besagen, dass Eure Kirche durch die Abgaben der kriegführenden Fürsten reich wird.«
»Gerüchte«, wiegelte Bruder Pinower mit einem übertriebenen Seufzer ab. Dann verzog sich seine Miene zu einem breiten Grinsen, das Dawson in gleicher Weise erwiderte.
»Kommt«, forderte ihn Bruder Pinower auf und geleitete ihn vom Pier zum Eingangstor und den gewundenen Tunneln, die sie nach oben auf die Klippe und zur Mutterkirche der Abellikanischen Kirche leiten sollten.
Sobald sie auf dem Innenhof der Abtei aus dem Hafentunnel traten, erkannte McKeege, dass die Gerüchte vom zunehmenden Reichtum noch untertrieben waren. Denn Kapelle Abelle war jetzt mehr als doppelt so groß wie bei seinem letzten Besuch vor einem Jahr. Scharen von Arbeitern eilten geschäftig umher, erhöhten und verstärkten die schon jetzt beeindruckende Außenmauer und errichteten neue Bauwerke – Baracken und Pfarrhäuser und alle Arten von Gebäuden. Die Kapelle Abelle war mittlerweile zu einer eigenen Stadt angewachsen, wie McKeege erkennen konnte, und wenn er darüber nachdachte, ergab das auch durchaus einen Sinn. Einst war die Kapelle Abelle nur eine kleine Kirche über der mittelgroßen Stadt Weatherguard gewesen, aber in diesen Zeiten zunehmender Gefahr hatte sie sich zu einer Festung entwickelt, die den geplagten Menschen in dieser Region willkommenen Schutz bot.
Dawson blickte zur Hauptkirche, die zur Zeit mit Gerüsten umgeben war. Mönche turnten überall mit Werkzeug und Baumaterial herum. Kein Laie arbeitete an dieser wichtigen Kirche, wie er feststellte. Ihr Aufbau oblag einzig und allein den Brüdern.
»Bruder Artolivan wird sich freuen, Euch heute zu begrüßen«, versicherte ihm Bruder Pinower und schritt mit ihm zum Kircheneingang. »Es wäre gut, wenn ich gleich etwas über Eure Absichten verlauten lassen könnte.«
Dawson schaute von der Kirche auf den eifrigen Bruder, der mindestens fünfzehn Jahre jünger war als er selbst. Seine Haut war viel zu weich und blass, und seine Augen blickten von den endlosen Stunden, die er zusammengekauert über Pergamentrollen verbracht hatte, bereits müde. Dawson stellte sich vor, dass Pinower nur selten die Mauern der Kapelle Abelle verließ, außer er hatte Aufgaben im Hafen oder in der Abtei wahrzunehmen. Der Mann aus Vanguard wünschte sich, er hätte mehr Zeit, um den jungen Mann von seinen steifen Brüdern wegzulocken, um ihm zu einer flüssigen Köstlichkeit und einer besseren Frau zu verhelfen.
»Sagt dem guten Pater, dass ich reich beladen hergekommen bin und ebenso wieder in See stechen will, denn Vanguard braucht …« An dieser Stelle hielt er inne und ließ den Satz unbeendet. Tatsächlich schien es so, als würde der arme Bruder Pinower gleich umfallen, so wissbegierig beugte er sich zu McKeege vor.
Dawson grinste nur und trieb den Scherz noch weiter.
Kurz darauf stand Dawson vor Pater Artolivan, einem alten Freund Lady Gwydres, der ihrer Verbindung mit Bruder Alandrais insgeheim den Segen gegeben hatte.
»Ich bin unter vollen Segeln eingelaufen«, sagte der Mann aus Vanguard, »und werde auch genau so wieder auslaufen.«
»Immer in Eile«, erwiderte der alte Pater der Abellikanischen Kirche. Dabei klang seine Stimme ein wenig lallend, als hätte er der Flasche zu freizügig zugesprochen.
Doch es war nur sein Alter, und in der Tat, Artolivan war jeder Tag seiner achtzig Jahre deutlich anzusehen. Die Haut in seinem Gesicht schien schlaff, seine Augen waren tief eingesunken und von dunklen Ringen umgeben. Er konnte noch immer aufrecht sitzen, doch es kostete ihn große Mühe, und in seinem Blick war kaum mehr ein Funkeln vorhanden, stellte Dawson fest. Die Abellikaner wollten ihn jedoch nicht so schnell ersetzen. Artolivan, erzählte man sich, hatte einst den heiligen Abelle mit eigenen Augen gesehen – allerdings dürfte er damals nicht mehr als
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