Salz der Hoffnung
hat etwas Besseres verdient, als in einem französischen Gefängnis zu verfaulen!«
Das Tintenfaß war nicht zerbrochen, ergoß seinen Inhalt aber über den Boden. Reynolds schritt nicht ein. Er zermarterte sich das Hirn auf der Suche nach der Schlüsselfrage, mit der er Jorgensen endlich entlarven könnte, aber es war schwierig. Keiner der anderen Gefangenen hatte ihn vor seiner Rückkehr nach Kopenhagen gekannt, also konnte er sich von ihnen keine Hilfe erhoffen.
»Dein Englisch ist ausgezeichnet, Jorgensen, oder sollte ich dich Johnson nennen?«
»Nennen Sie mich, wie Sie wollen.«
»Auf der Lady Nelson hast du den Namen Johnson geführt. Warum hast du vorgegeben, Engländer zu sein?« Jorgensen schüttelte den Kopf. »Da waren wir aber fleißig, nicht wahr, Major. Schade, daß sie nicht ein wenig mehr Fleiß auf die Erfüllung ihrer Pflichten als Kommandant dieses Rattenlochs aufwenden.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Du wirst mich nicht mit deinen Beleidigungen ablenken, das funktioniert bei mir nicht. Warum hast du dich als Engländer ausgegeben?«
»Nachdem ich zwangsverpflichtet worden war, hat dieser Schwachkopf von Offizier irgendwann gemerkt, daß sie einen Dänen einkassiert hatten, auch noch einen, der sein Seefahrtbuch schon hatte. Um seinen Fehler zu vertuschen, hat er mich als Johnson eingetragen.«
»Und du erwartest, daß ich das glaube?«
Jorgensen hob die Schultern. »Glauben Sie, was Sie wollen.«
»Dann noch etwas. Du scheinst ziemlich gebildet zu sein. Du hast sogar mit Hilfe deiner englischen Offiziersfreunde Schriften bei der Admiralität von Neusüdwales eingereicht. Worüber?«
»Hauptsächlich Navigation. Neue Informationen über die Windverhältnisse in der Südsee, die auf Erfahrungen während meiner Fahrten beruhten. Dinge, die mich interessieren.«
»Und Dinge, die die Franzosen ebenso interessieren könnten?«
»Oh Gott«, schnaubte Jorgensen. »Ich habe langsam genug von diesem Irrsinn. Ich werde keine weiteren Fragen beantworten.«
»Doch, das wirst du. Du bist der ungewöhnlichste Fall in diesem Gefängnis, und wir werden dich im Auge behalten.«
»Ich hätte gerne ein paar Bücher, wenn das nicht zuviel verlangt ist.«
»Du kannst von Captain Somerville Bücher bekommen, frag ihn einfach. Aber sie werden dir nicht viel nützen, wenn du wieder in Einzelhaft wanderst. Besser, du überdenkst deine Einstellung. Wenn du mit mir kooperierst, könnten wir das Leben für dich hier drin sehr viel angenehmer gestalten.«
Jorgensen nahm seine Decke und ging, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Reynolds schob seine Unterlagen zusammen. Dieser Däne war ein interessanter Mann. Unter anderen Umständen hätte er sicher von Nutzen sein können, aber Reynolds war sicher, daß er eine verräterische Ader hatte, daß etwas mit ihm nicht stimmte.
Einige Tage lang ließ er Jorgensen in Ruhe, ließ ihn lieber in Ungewißheit schmoren. Ihr nächstes Zusammentreffen würde vollkommen anders aussehen. Mit den höflichen Sitzungen hatte es nun ein Ende. Von jetzt an würde Jorgensen während der Befragungen knien, und jede seiner selbstgefälligen, unverschämten Antworten würde ihm einbringen, was ihm zustand. Es wurde Zeit, Corporal Crammer ins Spiel zu bringen, der einem Mann mit seiner kurzen Peitsche Höllenqualen bereiten konnte, zumal wenn sein Rücken bereits mit unverheilten Striemen bedeckt war. Reynolds brauchte Antworten, und zwar schnell. Ein Matrose der Admiral Juul hatte gestanden, daß Männer vom Schiff nachts in Newscastle-on-Tyne an Land gegangen waren, offenbar um mit Spionen Kontakt aufzunehmen. Er wußte zwar nicht, wer diese Männer gewesen waren, aber ihr Captain würde es sicher wissen. Jorgensen hielt ihn, Reynolds, wohl für dumm. Er hielt scheinbar alle Briten für dumm.
»Das werden wir ja noch sehen, mein Junge«, murmelte er, als er um zehn Uhr morgens sein Dienstzimmer betrat, zwei Stunden später als gewöhnlich. Ein Spanier war in seiner Zelle Amok gelaufen und hatte zwei Wachen und einen seiner Zellengenossen niedergestochen. Die Zelle sah aus wie ein Schlachthaus, und sie mußten den Wahnsinnigen erschießen, um die Ruhe wiederherzustellen. Ein verdammtes Ärgernis,
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