Salz der Hoffnung
glaubhaft vorgetäuschter Betroffenheit. »Zu jung zum Sterben. Wie ist es passiert? Ich meine, wenn die Frage erlaubt ist.«
»Er wurde erschlagen und beraubt. Und das Traurige ist, sein eigener kleiner Hund hat ihn gefunden, als einer der Diener ihn spät abends in Coram’s Field ausführte, sonst hätte man ihn womöglich erst heute morgen gefunden.«
»Der arme Mann.« Samuel schüttelte den Kopf. »Der arme Mann.« Er wollte beiseite treten und sich verabschieden, als etwas in seinem Hirn einzurasten schien. Das hatte er ja ganz vergessen! Wie der Major war er überzeugt gewesen, daß der Captain Regals Mann getötet haben mußte. »Sheriff, gehe ich recht in der Annahme, daß dieses Verbrechen Captain Jorgensen zur Last gelegt werden soll?«
»Wem sonst?« mischte der Major sich wieder ein. »Sie haben es eben doch selbst gesagt, Sir. Sie sagten, er würde niemals jemanden ermorden, dabei waren wir nur hier, um ein paar Fragen zu stellen. Warum sollten Sie so etwas sagen, wenn Sie nicht insgeheim genau das denken würden?«
Verdammt, man muß wirklich vorsichtig sein mit diesen Bastarden, schärfte Samuel sich ein. Er war in ihre Falle getappt. Aber das war jetzt unwichtig. »Sheriff, Sie sagten, Mr. Howth sei gestern abend umgebracht worden. Wissen Sie, wann ungefähr?« Er sah zur Reling hinauf. Jorgensen war verschwunden, doch die Matrosen bewachten nach wie vor die Gangway.
Der Major wurde ungeduldig. »Hören Sie, Sheriff, dieser Mann kann morgen die Zeitung lesen und seine Neugier befriedigen. Sie sind nicht verpflichtet, seine Fragen zu beantworten. Sie müssen Jorgensen festnehmen! Wenn er entwischt, wird man Sie zur Verantwortung ziehen, dafür werde ich sorgen.«
Der Sheriff sah ihn wütend an, sein breiter Schnurrbart sträubte sich. »Machen Sie Ihre Arbeit, Sir, und lassen mich die meine tun! Also, Mr. Phelps, was wollten Sie sagen?«
»Ich frage mich, wann es passiert ist, denn ich war gestern mit Mr. Jorgensen zusammen.«
»Er wurde gegen fünf Uhr ermordet. Nachbarn haben gesehen, wie er Coram’s Field betrat, vermutlich auf dem Heimweg, aber dort kam er leider nie an.«
Samuel atmete erleichtert auf und vergewisserte sich, daß das Cranston nicht entging. »Dann glaube ich nicht, daß Captain Jorgensen Ihnen irgend etwas sagen kann. Gestern nachmittag war er in meinem Lagerhaus und hat die Ladung für das Schiff überprüft. Jeder meiner Lagerarbeiter kann das bestätigen.«
»Um welche Zeit war das?«
»Nachmittags. Wir haben im Peddler’s Arms etwas gegessen, das ist gleich gegenüber von meinem Geschäft, so gegen eins. Dann sind wir zu meinem Kontor gegangen, Phelps & Company. Das ist auch in der Wapping High Street. Wir sind die Proviantlisten durchgegangen. Captain Jorgensen überprüft gerne alles persönlich. Gegen fünf haben wir Schluß gemacht, sind zurück zum Peddler’s gegangen und haben einige Gläser Bier getrunken.«
Cranston nahm seinen Hut ab und kratzte sich am Ohr. »Interessant. Aber da ist ein Problem, Mr. Phelps. Zeugen haben sich gemeldet, die aussagen, sie hätten Mr. Jorgensen gestern nachmittag in der Euston Road gesehen, nicht weit von Coram’s Field.«
»Das ist ausgeschlossen.«
»Er ist den Zeugen aufgefallen, weil er einen großen Rosenstrauß trug. Sehr groß. So etwas fällt den Leuten auf.«
»Aber die Leute irren sich. Sie werden mehr Zeugen bekommen, als Sie verkraften können, die jeden Eid auf die Bibel schwören, daß er gestern genau da war, wo er sein sollte. Bei der Arbeit nämlich.«
Der Sheriff wandte sich an seinen Begleiter. »Das ist wohl ziemlich eindeutig, Daniels. Gehen Sie zur Wapping High Street und überprüfen Sie das.« Zu Samuel sagte er: »Vielen Dank, Sir, Sie haben uns sehr geholfen. Ich muß wohl noch einmal von vorne anfangen.« Er zwinkerte Samuel zu. »Die Zeugen des Major scheinen nicht besonders verläßlich zu sein. Ich würde eine Menge Zeit sparen, wenn man mich meine Untersuchungen ohne Einmischung von außen durchführen ließe.«
Samuel dachte darüber nach, als er ihnen nachsah. Wie kam es, daß dieser Major Reynolds Zeugenaussagen gegen Jorgensen beschaffte? Was hatte ein Armeeoffizier hier herumzuschnüffeln? Es spielte im Grunde ja keine Rolle.
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