Salz der Hoffnung
gehen. Er war zu sehr mit den Vorbereitungen für ihren Aufbruch beschäftigt. Vermutlich hatte er nur eine Nachricht geschickt.
Samuel grinste. Das würde ihr bestimmt nicht gefallen, eine so besitzergreifende Frau wie Regal legte gewiß größten Wert auf zärtliche Abschiede mit Küssen, Tränen und Versprechen. Und mochte sie auch wie eine feine Dame der Gesellschaft wirken, Samuel ahnte, daß sie ein feuriges Temperament hatte und um Worte nicht so schnell verlegen war. Nein … das würde ihr kein bißchen gefallen. In den letzten Wochen hatte er sie beobachtet und herauszufinden versucht, was sie im Schilde führte. Es war eine Sache, wenn eine Lady sich auf eine heimliche Affäre einließ, aber ihren Mann in aller Offenheit zu verlassen und mit einem Seemann auf und davon zu gehen, mochte er auch ein fesselnder, obendrein gutaussehender Kerl wie Jorgensen sein, dazu brauchte es Mut. Leidenschaft allein reichte da nicht aus.
Da war noch etwas anderes, das diese beiden zu verbinden schien. Es war nicht leicht, den Finger darauf zu legen, doch Samuel bildete sich einiges darauf ein, ein ausgesprochen guter Beobachter zu sein. Das war auch vonnöten in einer so bösen Welt wie dieser. Regal litt unter einem Gefühl der Minderwertigkeit, so viel war klar. Aber warum nur? Diese Frau war doch mit allem gesegnet, was man sich auf dieser Welt wünschen konnte. Manchmal nahmen diese braunen Augen einen berechnenden Ausdruck an, nur ein kurzes Aufblitzen hier und da, doch Samuel war es nicht entgangen. Und Jorgensen, nun, Jorgensen war immer berechnend. Und dagegen war ja auch nichts einzuwenden, fand Samuel, schließlich war er auf diesem Gebiet selber ein Könner. Aber diese Regal … Er vermutete, daß sie sehr viel gescheiter war, als alle glaubten, und daß sie aus dieser Tatsache ein Geheimnis machte und ihre klugen Augen vorsorglich hinter einem sittsam gesenkten Blick verbarg … Er seufzte. Auf jeden Fall war sie eine Schönheit, das mußte man ihr lassen. Und jetzt war sie Witwe. Wie praktisch. Er fragte sich, ob sie ihren Mann hatte aus dem Wege räumen lassen.
Jorge war wie immer vor Tau und Tag aufgebrochen, und Regal blieb im Bett und versuchte zu schlafen, ihre Besorgnis über Charles’ Drohungen aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie hatte Jorge nichts erzählt. Sie fürchtete, daß es ihrem Mann tatsächlich gelingen könnte, die Aeolus am Auslaufen zu hindern. Sie wollte nicht die Ursache für noch mehr von Jorges Kummer sein. Hatte er nicht schon genug gelitten in diesem schrecklichen Gefängnis? Denn eines war ihr klar: an all diesen Schwierigkeiten war nur ihre eigene Sturheit schuld. Wäre sie brav mit Charles nach Hause gegangen, hätte all das vermieden werden können. Sie hatte nicht gewagt, Jorge davon zu erzählen. Sie wälzte sich in ihrem Bett hin und her. Ihr war kalt, Schweiß stand auf ihrer Stirn, und sie litt an lähmenden Krämpfen, ausgelöst durch ihre Sorgen. Immerhin bestand noch die Chance, daß Charles nur bluffte. Außerdem brauchte er immer ewig, bis er irgend etwas in Gang brachte. Also war vielleicht alles nur Gerede, und nichts würde passieren. Gott, wie sie Charles haßte! Warum konnte er sie nicht zufriedenlassen? Obendrein hatte er sich nun offenbar mit Basil Mulgrave und – ausgerechnet – Major Reynolds verschworen. Es war ein richtiger Schock gewesen, als sein Name fiel. Sie hatte ihn vollkommen vergessen. Sie hatte auch nicht gewagt, Jorge zu sagen, daß Reynolds und Charles sich irgendwie kennengelernt hatten.
Es war sinnlos, hier ruhelos im Bett zu liegen, sie mußte irgend etwas tun. Erst einmal würde sie an Leonard schreiben und ihn bitten, umgehend nach London zu kommen. Die Dinge wurden zu kompliziert, als daß sie noch allein damit fertig würde. Sie mußte ihm klarmachen, daß es für sie im Augenblick unmöglich war, nach Amerika zu reisen. Sie schleppte sich aus dem Bett, fühlte sich schwach und elend.
Charles. Sie würde ihn aufsuchen und ihm eine sehr großzügige Abfindung für den Fall anbieten, daß er ihre Ehe für beendet erklärte. Sie wollte ihn warnen, eine Ablehnung könne dazu führen, daß er am Ende leer ausging. Das würde seine Wirkung bestimmt nicht verfehlen, er war schwach genug, um sich von der Aussicht auf Bargeld umstimmen zu lassen. Zur Hölle mit ihm, er war doch nichts weiter als ein fauler Verschwender. Sie sollte ihm vielleicht
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