Salz der Hoffnung
zog sich seine Mütze tief ins Gesicht. Dieser Mann konnte den Captain ruinieren, er würde dafür sorgen, daß man das Schiff festsetzte. Es war fruchtbar. Vielleicht hätte sie lieber einwilligen sollen und wenigstens für eine Weile zu ihrem Mann zurückkehren. Aber hätte er seine Zusage dann eingehalten? Jacob hatte da so seine Zweifel. Nichts könnte ihn hindern, die Bürgschaft trotzdem zu widerrufen und den Captain zu verklagen. Er eilte zur nächsten Ecke und auf die andere Straßenseite, um den Eingang des Hauses besser im Blick zu haben.
Howth kam in einem langen Umhang und einem schwarzen Hut mit Federschmuck aus der Tür und ging eilig davon, ohne sich umzusehen.
Jacob folgte ihm, blieb auf seiner Seite der Straße und überquerte sie erst, als der Mann um eine Ecke bog. Vielleicht war es kein dummer Gedanke, herauszufinden, wo er wohnte. Möglicherweise sollte er, Jacob Aasgaard, Mr. Howth mal einen Besuch abstatten. Ein paar blaue Flecke mochten ihn dazu bringen, seine Meinung zu ändern und rechtschaffene Leute in Frieden zu lassen.
Plötzlich änderte Howth die Richtung und betrat Coram’s Field. Wahrscheinlich nahm er eine Abkürzung durch den Park. Jacob eilte ihm nach, ließ einer Dame mit ihrem Begleiter jedoch höflich den Vortritt, die ihm am Tor entgegenkamen, ehe er die Verfolgung wieder aufnahm. Für einen kleinen, dicklichen Mann ging Howth ziemlich zügig, also beschleunigte Jacob seine Schritte und steuerte auf eine Baumreihe zu, so daß er mit ihm auf gleicher Höhe, aber außer Sichtweite bleiben konnte.
Im Park war es still, die Schatten wurden länger, und ein früher Abendnebel zog auf. Howth verließ den Pfad und eilte weiter. Er wich einer ausladenden Gruppe von Sträuchern aus und umrundete sie, und dann ging alles so schnell, daß Jacob im schwachen Licht nicht sofort erkannte, was sich da vor ihm abspielte.
Howth war zu Boden gegangen. Gestolpert? Eine plötzliche Ohnmacht?
Jacobs erste Reaktion war instinktiv – er wollte ihm zu Hilfe kommen; doch dann besann er sich und zog sich in den Schatten der Bäume zurück. Zwei dunkle Gestalten zerrten Howth ins Gebüsch. Räuber! Er war von Räubern überfallen worden. Der Park war jetzt wie ausgestorben, und Jacob hörte keinen Laut. Die Angreifer waren mit ihrem Opfer verschwunden. Jacob schlich auf sie zu in der Absicht, sie zu packen und ihnen die Köpfe einzuschlagen, aber dann zögerte er wieder. Warum? Warum sollte er das tun? Howth war der Feind. Wenn er von einer unbeteiligten Partei angegriffen wurde, dann bitte. Dann war es der Wille der Götter. Es ging ihn nichts an.
Er machte kehrt, grinste vor sich hin und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war.
Samuel Phelps sah sich in seiner Kajüte um. Er hatte niemandem gestanden, wie sehr er sich auf diese Reise freute. Er hatte den Kanal viele Male überquert, doch in den fünfzig Jahren seines Lebens war dies seine erste richtige Schiffsreise. Und es war ein Vorteil, der einzige Passagier zu sein und den Captain zur Gesellschaft zu haben. Noch dazu war es eine geschäftliche Reise, und er brauchte seine Passage nicht einmal zu bezahlen.
Die Kabine war beinah komfortabel, eine ordentliche Koje, ein stabiler Schreibtisch und Stuhl aus Eiche, beide mit den Planken verschraubt, dazu seine Reisetruhe, die bereits festgezurrt war. Sie würden erst in drei Tagen auslaufen, aber Samuel hatte all seine Geschäfte bereits abgewickelt. Seine Fracht war geladen, jetzt mußte nur Cameron seinen Teil noch liefern. Einige seiner Waren befanden sich bereits im Lagerhaus hier im Hafen, die Hauptlieferung wurde für morgen erwartet. Cameron war allzu vorsichtig, immer noch ein bißchen nervös, und er hatte nur eine kleine Ladung beigesteuert, weil er erst einmal abwarten wollte, wie die Dinge sich entwickelten. Auf diese Weise war mehr Platz für Phelps’ Anteil gewesen. Mehr Tee, mehr Zucker und zehn Gros lange Damenunterhosen, die er gerade noch rechtzeitig preiswert bekommen hatte. Und war er erst einmal in Reykjavik, würde er die Bestellungen entgegennehmen und auf diese Weise am besten in Erfahrung bringen, welche Waren wirklich gefragt waren.
Der Steward klopfte an seine Tür, ein sehr junger Kerl, der noch nicht lange zur See fuhr. Für gewöhnlich war er guter Laune, doch jetzt wirkte er besorgt.
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