Salz der Hoffnung
Gott sei Dank hatte Jorgensen ein wasserdichtes Alibi, er war gestern nicht einmal in die Nähe von Coram’s Field gekommen. Bis er heimging natürlich, aber da war ja schon alles vorbei. Offensichtlich kannten sie die Adresse des Captain, denn sie hatten nicht danach gefragt.
Nun ja. Ende gut, alles gut. Viel Lärm um nichts. Er ging die Gangway hinauf, um Jorge zu besänftigen und ihm die gute Nachricht zu bringen. Regals Gatte hatte praktischerweise das Feld geräumt.
»Darum ging es also«, sagte Jorge. »Und Howth ist tot. Wie ist das nur passiert? Und was hatte Reynolds hier verloren?«
Samuel erklärte die Umstände. »Sie können froh sein, daß ich hier war, mein Freund«, schloß er. »So konnte ich den Verdacht auf der Stelle ausräumen. Sie haben zwar genug Zeugen, die beschwören können, daß Sie nicht in der Nähe des Tatortes waren, aber Sie wissen ja, wie solche Leute sind. Wenn sie einen erst einmal in den Fingern haben, ist es schwer, sich daraus wieder zu befreien.«
»Das ist wahr, wer wüßte das besser als ich. Ich werde Howth keine Träne nachweinen, aber es ist wohl besser, ich gehe zu Regal.«
»Seien Sie kein Idiot! Halten Sie sich da raus! Regal wird nicht zulassen, daß man sie belästigt, sie wird ihnen ganz schnell die Tür weisen. Aber Sie können sich keinen weiteren Ärger leisten, Jorge, und wie es scheint, hat dieser Major Reynolds es wirklich auf Sie abgesehen. Er war es, der diese falschen Zeugen herbeigeschafft hat. Er behauptete, sie hätten Sie gestern die Euston Road entlanggehen sehen mit einem Strauß Rosen.« Samuel lachte. »Ein verdammter Strauß Rosen! Haben Sie so etwas schon gehört?«
Jorgensen starrte ihn einen Moment reglos an und packte ihn dann am Arm. »Gehen Sie hinunter in Ihre Kajüte, ich lasse Ihnen Kaffee bringen. Ich habe viel zu tun.«
Sobald Samuel verschwunden war, hielt der Captain den ersten Matrosen an. »Wo ist der erste Maat? Mr. Aasgaard?«
»Er ist vorhin an Land gegangen.«
»Geh und such ihn. Sag ihm, er soll sofort herkommen.«
»Samuel, wir laufen heute mit der Flut aus.«
Phelps fuhr herum. »Was? Das können wir nicht! Wir sollen doch erst in drei Tagen lossegeln.«
»Es ist alles in Ordnung«, versicherte Jorge. »Wir haben alle Vorbereitungen abgeschlossen und stechen noch heute nachmittag in See.«
»Aber das paßt mir gar nicht. Ich muß noch verschiedene Dinge abholen, mich von Freunden verabschieden … von meiner Frau …«
Jorge schlug ihm auf die Schulter. »Sie haben ja noch über zwei Stunden Zeit, Mann. Machen Sie kein so finsteres Gesicht. Wir segeln los. Vergessen Sie doch mal Ihre kleinen Alltagssorgen. Die hohe See, davon haben Sie doch schon immer geträumt! Wir werden zurück sein, ehe noch irgend jemand Zeit hat, uns zu vermissen.«
Auf dem Schoner herrschte auf einmal geschäftiges Treiben. Die letzten Vorräte wurden mit einer Winde auf das Deck gehievt, breit grinsende Matrosen kamen mit ihren Seesäcken an Bord. Jorge schritt das Deck ab und brüllte Anweisungen, während seine rechte Hand, der muskelbepackte Jacob, in die Wanten hochkletterte, nicht weniger geschickt als der kleinste, geschickteste der Matrosen. Segel schlugen, Ketten rasselten und Luken schlugen auf und zu. Samuel ertappte sich dabei, daß er sich von der allgemeinen Aufregung anstecken ließ. Jorge hatte recht. Was für einen Unterschied machte es schon? Ein paar Tage länger warten, und das Wetter konnte umschlagen und sie im Hafen festhalten. Besser, sie segelten jetzt los, solange sie noch konnten. Einen flüchtigen Moment sorgte er sich, daß der überstürzte Aufbruch irgend etwas mit Charles Howths Ermordung zu tun haben könnte, doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Jorge konnte den Mann unmöglich umgebracht haben. Darüber hinaus war Jorge sichtlich verblüfft gewesen, als er davon erfahren hatte, hatte ungläubig den Kopf geschüttelt. »Wie seltsam es doch manchmal zugeht in der Welt«, hatte er gesagt.
Samuel war von Natur aus ein neugieriger Mensch, und darum stellte er Spekulationen über Regal Howth an. Ihm war gerade noch Zeit geblieben, nach Hause zu eilen und rasch ein paar Worte mit Meg zu wechseln, doch Jorgensen machte keinerlei Anstalten, von Bord zu
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