Salz der Hoffnung
Charles’ Tod ihnen selbst gegolten hatte, aber es tat doch weh, daß sie sich offenbar kein bißchen um Jorge ängstigten. War ihnen denn wirklich gleich, was mit ihm wurde?
Bonnie erwartete eine Antwort, und das ärgerte Regal. »Ach, laß mich in Ruhe«, sagte sie und machte sich nicht die Mühe, ihr die Lage zu erklären. Wenn sie keinerlei Loyalität für Jorge aufzubringen vermochten, hatten sie auch keine Erklärung verdient.
Bonnie kehrte in die Gesindeküche zurück. »Madam sagt, nur keine Sorge, alle bekommen ihr Geld, alles geht weiter wie bisher.« Alle machten sich wieder an ihre Arbeit. Sie wollte verhindern, daß sie davonliefen, denn das hätte bedeutet, daß die ganze Arbeit an ihr hängenblieb, bis sie neue Hilfskräfte gefunden hätte. Auf diesem Haus lastete ein Fluch, dessen war sie sicher, aber sie konnte jetzt nicht einfach so fortgehen. Erst brauchte sie einen glaubhaften Vorwand, damit sie ein gutes Zeugnis bekam – was immer das nützen würde. Jedenfalls schien Mrs. Howth das Unglück anzuziehen.
Am späteren Vormittag ging sie wie üblich auf die Märkte. Es war eigentlich nicht die Aufgabe einer Zofe, und die Köchin ärgerte sich darüber, doch Bonnie hatte Mrs. Howth schließlich überreden können mit dem Argument, sie wisse schließlich am besten, was die Herrschaften gern aßen. Sie genoß den täglichen Spaziergang und vor allem die Möglichkeit, den neuesten Klatsch zu hören. Heute waren sicher alle nur an einem Thema interessiert, der Verhaftung des Captain. Aber sie würde nichts sagen. Damit erweckte sie immer den Eindruck, als wisse sie mehr, als tatsächlich der Fall war.
Sie brauchte heute kein Fleisch, trotzdem wollte sie bei John Hurley vorbeischauen, einem irischen Schlachter, der jetzt einen eigenen Stand hatte und offenbar gute Geschäfte machte. Er war verwitwet, wirkte auffällig dürr für einen, dem es doch nie an Essen mangeln konnte, aber er war immer fröhlich und Bonnie wußte, er hatte ein Auge auf sie geworfen. Wenn sie einen Schlachter heiratete, brauchte sie nicht länger in Stellung zu gehen und würde gesellschaftlich aufsteigen.
Es war sehr heiß, Fliegen umschwärmten die Auslagen, Staub tanzte in der Luft. Bonnie drängte sich durch die Menge, den Einkaufskorb über dem Arm, da entdeckte sie plötzlich den Armeeoffizier, der den Captain verhaftet hatte, und das war eigenartig. Sie hatte ihn hier nie zuvor gesehen.
Sie tat, als bemerke sie ihn nicht, schlenderte weiter, begutachtete die Auslage eines Fischstands, kaufte für einen Penny saftige Erdbeeren. Schließlich gab es für sie keinen Zweifel mehr, daß er ihr folgte.
Sie setzte sich auf eine Bank im Schatten, aß ihre Erdbeeren und wartete gespannt, was er tun würde.
Und tatsächlich, da kam er herübergeschlendert, nickte ihr zu, als wolle er vorbeigehen, und wandte sich dann wieder um, so als hätte er sie jetzt erst wiedererkannt. Bonnie grinste verstohlen. Was für ein Schwindler.
»Entsinne ich mich recht«, begann er unsicher. »Arbeitest du nicht bei den Howths?«
»Ja.« Sie traute ihm nicht und darum ermunterte sie ihn auch nicht, doch er setzte sich einfach neben sie.
»Ein heißer Tag. Heute nachmittag wird die Stadt ein Backofen sein«, bemerkte er.
»Ja.« Bonnie verspeiste eine weitere Erdbeere.
»Eine unschöne Angelegenheit, daß ich deinen Herrn verhaften mußte, aber solche Dinge passieren nun einmal.«
»Kann schon sein.«
Jetzt machte er ein trauriges Gesicht, als sei es ihm schwergefallen, aber gestern war er mit stolzgeschwellter Brust einherstolziert wie ein Gockel, sehr zufrieden mit sich und der Welt.
»Dieser Krieg«, fuhr er fort. »Diese ewige Sorge, daß die Franzosen eine Invasion Englands vorhaben könnten. Ein jeder muß tun, was in seiner Macht steht, um ihnen Einhalt zu gebieten.«
»Was wollen Sie?«
Ihre Direktheit brachte ihn beinah aus dem Konzept.
»Du meine Güte, gar nichts, mein Kind. Aber wo ich schon einmal hier bin, könnte ich dir vielleicht ein, zwei Fragen stellen.«
»Worüber?«
»Es würde mich interessieren, ob jemals irgendwelche Ausländer zu Besuch kommen am Woburn Place.«
»Nicht daß ich
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