Salz der Hoffnung
alten Lieder. Wir hatten ursprünglich gar nicht die Absicht hinzugehen, aber es lag auf dem Heimweg, und dann schlug Jack plötzlich vor, wir sollten doch dort essen.«
»Warum?« fragte Polly. Maria hatte sie gebeten, sich nicht aufzuregen, aber das hier war nun wirklich zuviel. »Weil zu befürchten war, daß wir hier nichts als Vorhaltungen zu hören bekommen würden«, sagte Jack. »Und ich verabscheue Szenen.«
»Nun, da ihr heil und gesund wieder zu Hause seid, können wir ja alle schlafen gehen«, schlug Maria vor.
»Ja, ich bin todmüde«, sagte Edwina. »Gute Nacht allerseits.«
Polly war wütend. »Es muß sehr anstrengend sein, mit dem Verlobten einer anderen auszugehen, Edwina. Ich hoffe, du schläfst gut.«
Edwina eilte hinaus, und Maria nahm Pollys Arm. »Komm, laß uns auch zu Bett gehen.«
Aber Jack rief sie zurück. »Polly, könntest du noch einen Augenblick bleiben? Ich möchte mit dir reden.«
Sie wandte sich um, ein Gefühl völliger Hilflosigkeit überkam sie. Sie wollte nicht allein mit ihm sein, nicht jetzt. Seine Augen waren so kalt wie der Mond. Und als er sprach, klang seine Stimme distanziert: »Polly, du mußt wissen …«
Es war Basil, der sie vor der totalen Demütigung bewahrte. Er traf einige Tage später ein und war zur Stelle, um sie zu den vielen Gesellschaften und den Empfängen in der Offiziersmesse zu begleiten, die der Hochzeit von Captain David Collins vorausgingen. Sie alle wußten natürlich, daß die Verlobung aufgelöst war, daß Jack sie wegen Edwina hatte sitzenlassen. Und sie gaben sich die größte Mühe, sie aufzuheitern.
Basil wirkte schneidiger als alle anderen. Der leere Ärmel war an seine elegante Uniform geheftet und schien ihn womöglich noch attraktiver zu machen – ein Krieger, der sich bewiesen hatte. Erst als sie bei einem festlichen Abendessen der Offiziere seines Regiments seine Platzkarte sah, erfuhr Polly, daß er der ›Ehrenwerte‹ Basil Mulgrave war. Basil, so erklärte David ihr später, war der Sohn eines Viscount. Sie war tief beeindruckt, und es war ihr ein großer Trost, diesen adeligen Gentleman während der Hochzeitsfeierlichkeiten an ihrer Seite zu haben.
Marias Kleid war hinreißend, aus weißem französischem Satin und mit Farnranken aus Silberfaden bestickt. Polly trug ein Kleid aus weißem Satin im gleichen, hochtaillierten Schnitt, verziert mit goldgelben Bändern. Beide hatten sie wehende Chiffonschleier auf dem Kopf, die von einem Kranz weißer Rosenknospen gehalten wurden.
Polly fand, zuviel Weiß mache sie unscheinbar mit ihren blonden Locken und der hellen Haut, doch Basil versicherte ihr, sie sehe hinreißend aus.
Dennoch war Polly so niedergeschlagen, daß sie sich regelrecht krank fühlte. Sie konnte den furchtbaren Abend einfach nicht vergessen. Sie war die Treppe hinaufgestürzt zu Marias Zimmer und hatte sie unter Tränen angefleht, zu kommen und mit Jack zu reden. Sie hatte gedroht, Edwina umzubringen. Oder ihn, das wußte sie nicht mehr so genau. Anfangs hatte Jack versucht, ihr einzureden, es gäbe keine andere. Er hatte gelogen, ohne mit der Wimper zu zucken. Wie erbärmlich er doch war! Was für eine erbärmliche Ratte! Edwina konnte ihn geschenkt haben.
Man hatte einen Arzt herbeigeholt, um sie zu beruhigen. Er erklärte, sie leide an einer Überreizung der Nerven, doch sie war sicher, daß das nicht der Fall war. Sie wollte nur im Bett bleiben, es war einfach zu furchtbar, aufstehen und anderen Menschen unter die Augen treten zu müssen. Also lag sie dort mit dem Gesicht zur Wand, weigerte sich, mit irgend jemandem zu sprechen, bis Maria ihr erzählte, Basil sei in Halifax angekommen. Er sei hier, unten im Wohnzimmer, und drohe, heraufzukommen und ihr Schlafzimmer zu stürmen, wenn sie nicht herunterkam und ihn empfing. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich anzuziehen und sich das Gesicht zu pudern, damit er nicht gleich sah, daß sie geweint hatte.
Es gab überhaupt keinen Zweifel, Basil war die Partie der Saison in Halifax. Die Damen umflatterten ihn wie Motten das Licht. Er war nicht nur interessant, er sah auch noch gut aus mit seinem kräftigen Kinn und dem blonden Schnurrbart. Seine hohen Wangenknochen wirkten wie aus Elfenbein geschnitzt. Und
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