Salz der Hoffnung
ähnlich. Er hatte diese Ähnlichkeit erkannt, darum hatte er sie so angestarrt. Es war so erniedrigend, daß sie hätte schreien können. Und dabei hatte sie sich ihre erste Begegnung in allen Einzelheiten ausgemalt. Sie hatte Mulgrave eine Abfuhr erteilen wollen. Im großen Stil. Und jetzt war es ganz anders gekommen.
Nun, sie hatte keineswegs die Absicht, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Sie setzte sich an ihren Sekretär und schrieb einen Brief an Sir Basil Mulgrave. Nur eine kurze Nachricht, in der sie ihm mitteilte, daß sie ihn in einer persönlichen Angelegenheit zu sprechen wünsche. Sie wollte ihm mit großer Gelassenheit begegnen, die Ruhe selbst, ihn einfach nur fragen. Unumwunden. Sie wollte keine Ansprüche an ihn stellen, ihm lediglich klarmachen, daß es wichtig für sie war, die Wahrheit zu kennen. Das würde sie ihm sagen, wenn sie ihn unter vier Augen sprach und niemand in der Nähe war, von dem Einmischung drohte. Ein Gentleman sollte anerkennen, daß sie ein Recht auf eine Erklärung hatte.
Sie schlich die rückwärtige Treppe hinab und drückte den Umschlag einem Diener in die Hand. Sie wies ihn an, ihn gleich morgen früh persönlich bei der Northern Star Shipping Line abzugeben und ihr anschließend Bescheid zu geben, wenn das erledigt sei, damit sie sicher sein konnte, daß der Brief sein Ziel erreicht hatte.
Am nächsten Tag kam Major Sorell wie erwartet zum Tee, doch er brachte seine frisch angetraute Frau mit. Trotz ihrer düsteren Stimmung konnte Regal nicht anders, als über Marias sichtliches Unbehagen in dieser Situation zu lächeln. Soviel also zu Sorell als Heiratskandidaten.
Doch in einem Punkt sollte Maria recht behalten. Regal mochte ihn gern, sie fand ihn unterhaltsam und einen interessanten Gesprächspartner. Es war ein Jammer, dachte sie, wäre seine Frau nicht gewesen, hätte er einen richtig guten Gesellschafter für sie abgegeben.
Tagelang wartete sie vergeblich auf eine Antwort von Basil Mulgrave. Wochenlang. Sie hörte nichts von ihm, nicht einmal einen kurzen Satz, mit dem er den Erhalt ihres Briefes bestätigte. Sie war versucht, ihm noch einmal zu schreiben, falls etwas schiefgegangen war und er ihren ersten Brief, den sie als »vertraulich« gekennzeichnet hatte, nicht bekommen hatte. Aber was, wenn er den ersten doch erhalten hatte und auch nach dem zweiten nicht antwortete? Sie konnte nicht riskieren, sich vor ihm lächerlich zu machen. Und als sie einsehen mußte, daß er offenbar nicht die Absicht hatte, in Kontakt mit ihr zu treten, nahm ihr Haß auf ihn zu, nahm Gestalt an, wurde ein vertrautes Gefühl, das sie nicht mehr missen wollte.
Unterdessen wurde Charles Howth zu ihrem ständigen Begleiter während der Wintersaison, einfach weil er der hartnäckigste unter ihren Verehrern war. Er war kein übler Bursche, ein bißchen dicklich zwar, aber er hatte formvollendete Manieren und kannte »einfach jeden«. Das behauptete jedenfalls Edwina. Sie war wild entschlossen, Regal gut unter die Haube zu bringen, und bald verband sie und Charles eine enge Freundschaft. Offenbar war er dankbar für ihre Unterstützung.
»Du könntest es sehr viel schlechter antreffen, als Charles Howth zu heiraten, mein Kind«, redete sie auf Regal ein. »Ist dir klar, daß du einen Adelstitel führen würdest, wenn du ihn heiratetest? Du wärst auch eine Ehrenwerte. Ein Jammer, daß er nicht der Erstgeborene ist, sonst würdest du eines Tages sogar Lady Howth.«
Regal war durchaus bekannt, daß eine Heirat mit Charles diesen zusätzlichen Bonus beinhaltete, aber sie hätte niemals zugegeben, daß diese Vorstellung nicht ohne Reiz für sie war. Es wäre ein enormer Schritt nach oben auf der gesellschaftlichen Leiter, und Edwina würde die Neuigkeit ganz sicher umgehend nach Boston melden. Das wäre für so manchen ein harter Brocken, und sie war sicher, käme sie je wieder nach Hause, würde ihr jede Tür in Boston offenstehen. Nicht daß Boston noch irgendeine Rolle in ihrem Leben spielte. Bis auf die Kanzlei Rosonom und Kernicke.
Aber Charles war wichtig. Und er war Mulgraves Partner. Offenbar hatte Sir Basil Charles gegenüber weder sie noch ihren Brief erwähnt, sonst hätte sie davon erfahren. Charles konnte nie etwas für sich behalten. Hin und wieder befragte Regal ihn über seinen Partner, und Charles
Weitere Kostenlose Bücher