Salz der Hoffnung
Trauzeuge sein zu können. In einer Hinsicht war es bedauerlich, daß seine Familie nicht gekommen war. Hätten sie Regal so gesehen, hätten sie eingestehen müssen, daß er das Richtige getan, eine sehr kluge Wahl getroffen hatte. Nun, sie würden es schon noch herausfinden.
Dann war er mit seiner Frau auf die Isle of Wight auf Hochzeitsreise gefahren, und sie stiegen im besten Hotel in Ryde ab, ein neues Haus, das selbst höchsten Ansprüchen genügte. Sogar das Wetter war ihnen hold. Sie verbrachten die warmen Tage mit ausgiebigen Streifzügen durch die Stadt und langen Spaziergängen über die Hügel. Regal war hingerissen von der Insel, sie kam ihr vor wie ein Stück vom Paradies, und alles weckte ihr Interesse. »Ich habe das Meer immer geliebt«, erzählte sie ihm. »Und es fehlt mir, wenn ich in London bin. Wir sollten hier ein Haus kaufen. Ein Landhaus am Meer, das wäre wunderbar.«
Charles stimmte ihr prinzipiell zu, ermunterte sie aber nicht, da er erst einmal ihre finanzielle Situation abklopfen wollte. Regal äußerte sich immer reichlich vage zu dem Thema, offenbar hatte sie nur eine ungenaue Vorstellung dessen, was in Boston vorging, und ließ ihrem Judenanwalt völlig freie Hand. Das mußte sich ändern. Er hatte diesem Mann bereits geschrieben und eine detaillierte Aufstellung aller Vermögenswerte angefordert, damit er dort drüben möglichst bald alles verkaufen und das Vermögen nach London transferieren konnte.
Auch im Bett stellte sie ihn zufrieden. Regal war zärtlich und zum Glück nicht übermäßig scheu. Er wußte von Männern aus seinem Bekanntenkreis, denen ihre jungen, prüden Frauen das Eheleben zur Hölle machten. Alles in allem würde Regal in vieler Hinsicht eine ideale Ehefrau abgeben. Natürlich hatte sie ein paar seltsame Angewohnheiten, aber über kleinere Fehler konnte man schließlich hinwegsehen. Beispielsweise beobachtete er sie jetzt von seinem bequemen Sessel auf der Terrasse aus dabei, wie sie in aller Unbefangenheit mit Fremden ein Gespräch anfing. Das tat sie ständig, ganz gleich ob Männer oder Frauen. Nun stand sie also da unter den Bäumen und wirkte zugegebenermaßen ausgesprochen anziehend in ihrem blauen Musselinkleid mit dem passenden Sonnenschirm, und plauderte mit einem Paar, das ihr, da war Charles sicher, nicht vorgestellt worden war. Und Fragen! Er kannte keine andere Frau, die so viele Fragen stellte. Sie interessiere sich eben für das Geschäft, hatte sie gesagt. Sie wollte alles über die Northern Star Line wissen, über ihre Schiffe und wo sie hinsegelten, welche die profitabelsten Routen waren. Und wenn dem so sei, daß die Kontinentalsperre so hohe Verluste verursache, warum eröffneten sie ihren Kunden dann keine neuen Märkte? Nehmt euch ein Beispiel an den Amerikanern, hatte sie gesagt. Sie sah einfach nicht ein, daß Northern Star eine traditionsreiche Gesellschaft war, die seit jeher die nördlichen europäischen Routen befuhr. Sobald der Krieg vorbei war, würde das Geschäft sich schon wieder ganz von selbst erholen.
»Und wir haben einen neuen Klipper in Auftrag gegeben«, erzählte er ihr. »Er wird der Stolz unserer Flotte sein.«
»Und wo liegt der Sinn, wenn eure Schiffe jetzt schon nutzlos im Hafen liegen?«
»Wir planen für die Zukunft, meine Liebe.« Er wünschte, sie würde nicht ständig von diesen Dingen sprechen, erst recht nicht auf der Hochzeitsreise. Außerdem gab sie ihm dadurch Bedenken ein, die ihn vorher nicht bedrückt hatten. Der neue Schnellsegler war Basils Idee gewesen. Sie hatten hohe Kredite bei der Bank dafür aufnehmen müssen, und dabei waren sie bereits verschuldet gewesen. Für Basil war all das kein Problem, er hatte noch andere Einkünfte. Aber die Firma hatte seit zwei Jahren keine Dividende mehr erwirtschaftet, und langsam wuchsen Charles die unbezahlten Rechnungen über den Kopf. Er hatte mit John Gleeson darüber gesprochen, und der hatte in diesem Zusammenhang eine sonderbare Bemerkung gemacht: »Ich hoffe doch nicht, daß Basil dich hinausdrängen will?«
Diese Verdächtigung war natürlich völlig ungerechtfertigt, und das sagte Charles ihm auch. »Basil ist ein Gentleman. Er tut das, was für die Firma das Beste ist.«
Er konnte doch nicht zu seinem Vater gehen und eingestehen, daß Northern Star wie so viele andere Handelsgesellschaften auch in Schwierigkeiten steckte. Er
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