Salz der Hoffnung
unter Druck setzt, doch wenn zwei große Mächte wie Frankreich und England nun auch noch von uns verlangen, uns für eine Seite zu entscheiden, dann muß man versuchen, auf Zeit zu spielen. Kannst du dir vorstellen, Regal, was mit einem Land geschieht, das die falsche Wahl trifft und nachher zu den Verlierern gehört?«
»Ja, natürlich. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, aber die Folgen wären sicher schrecklich.«
»So ist es. Bislang haben die Dänen den Franzosen Widerstand geleistet. Auch wenn viele Napoleons großem Plan nicht abgeneigt gegenüberstehen, haben sie es dennoch für klüger gehalten, sich herauszuhalten und sich nicht an der Kontinentalsperre gegen England zu beteiligen. Unsere Häfen sind immer noch neutral. Auf hoher See sind die Schiffe natürlich trotzdem in größter Gefahr, wie du weißt, aber unsere Häfen stehen jedermann offen.«
»Das ist vernünftig«, sagte sie. Sie war es nicht gewöhnt, daß ein Mann über solche Dinge mit ihr sprach, und sie war froh, daß sie jetzt erfuhr, was wirklich hier in Europa vorging.
»Es war vernünftig, solange es funktionierte«, schränkte er ein. »Aber die Briten geben sich damit nicht mehr zufrieden. Sie verlangen, daß Dänemark der antinapoleonischen Allianz beitritt, also hat unsere Regierung das einzige getan, was ihr zu tun übrigblieb …«
»Auf Zeit gespielt?«
»Ja. Bedenkzeit erbeten. Aber die Frist ist abgelaufen. Und nun verlangen die Lords der Britischen Admiralität, daß Dänemark, um seine Freundschaft zu England unter Beweis zu stellen, seine gesamte Flotte abgibt.«
»An wen?« fragte Regal erstaunt.
»An die Briten natürlich.«
»Aber das ist nicht gerecht. Das ist abscheulich! Einem kleinen Land zu befehlen, einfach so seine ganze Flotte herzugeben. Sie müssen verrückt sein!«
»Nicht verrückt. Verdammt arrogant, das sind sie. Es ist eine schwere Beleidigung für die Dänen. Vielleicht weißt du, daß Dänemark vor ein paar Jahren mit Schweden und Rußland zusammen eine Politik der bewaffneten Neutralität begann, um nicht in diesen Krieg hineinzuschlittern, und das hat uns bitterböse und beleidigende Proteste der Briten eingetragen. Schon damals betrachteten die Dänen den Druck der Engländer als unverschämte Einmischung, die beiden Länder sind also seit längerem nicht gerade die besten Freunde. Und schon vorher gab es Probleme wegen des Benehmens unserer Königin Karoline Matilda, einer Engländerin.«
»Ihr hattet eine englische Königin? Erzähl mir von ihr.« Er lachte und fuhr ihr mit der Hand durchs Haar. »Ich werde dir heute abend im Bett von ihr erzählen, denn es ist eine wunderbar unanständige Geschichte. Als ich noch ein Junge war, hatte mein Vater ein Portrait von ihr im Laden hängen. Sie hatte das gleiche Haar wie du, weich und wunderschön. Aber all diese traurigen Geschichten von Dänemark langweilen dich sicher.«
»Keineswegs. Was passierte also, nachdem die Briten die Flotte gefordert hatten?«
»Das ist die jetzige Situation. Wir sitzen in der Zwickmühle. Wir Dänen sind ein Volk von Seefahrern, wir können unsere Flotte nicht abgeben. Wir brauchen sie, um unsere Handelssegler zu schützen … um zu überleben. In dem Augenblick, da wir England unsere Flotte überlassen, wird Frankreich in Jütland einfallen, und wir hätten keine Schiffe mehr, um uns zu verteidigen.«
Regal war fassungslos. So wie er es darstellte, kam Dänemark ihr vor wie eine kleine Familie, die von allen Seiten belagert wurde, und das schien ihr so ungerecht. »Was für eine furchtbare Situation. Was werden sie tun?«
»Was würdest du tun?«
»Ich? Du fragst mich?«
»Ja. Wie würdest du in dieser Situation reagieren?«
Es war schon seltsam: hier saß sie am Ufer der Themse mitten in England, furchtbar böse auf die Engländer und gleichzeitig fasziniert, daß er sie aufforderte, eine hypothetische Lösung für dieses vertrackte Rätsel zu finden. »Ich würde kämpfen«, erklärte sie schließlich bestimmt. »Ich würde sie bekämpfen. Dänemark kann sich das nicht gefallen lassen.«
»Gegen wen kämpfen?« fragte er lächelnd, als wolle er sie necken.
»Die Engländer.«
»Ach, mein
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