Salz und Asche - Roman
Tonfall, dass Susannes Vater nicht anders konnte, als sich mit dem Ausgang des Gesprächs zufriedenzugeben, und dafür war Susanne Lenhardt ein weiteres Mal dankbar. Noch mehr, als er ihrem Vater riet, sie an diesem Sonntage ausnahmsweise vom Kirchgang zu befreien, damit Regine und sie etwas Schlaf nachholen konnten.
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Jeder tanzt, wie er kann
I m Verlauf der nächsten Woche besuchte Lenhardt das Büttnersche Haus noch zwei Mal. Er brachte dabei nicht nur Paul und Minna mit, die inzwischen zu den Lossius’ übergesiedelt waren, sondern auch kleine Geschenke für Susanne, Regine und die anderen Kinder. Mittlerweile waren noch drei bei den Büttners: Anjes Tochter Nelli, Jost und Hinner. Ein Junge war zu seinen Eltern zurückgekehrt, ein weiterer vom Pastor der Nicolaikirche aufgenommen worden, und das dritte Mädchen war bei dem alten Schiffer untergekommen, der es ins Haus getragen hatte. Zwar konnten er und seine Frau von ihrem Alter her eher die Großeltern des Kindes sein, doch Susanne zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Kleine es bei ihnen gut haben würde.
Was Jost und Hinner betraf, die niemand zurücknehmen konnte oder wollte, hatte Susannes Vater kurzerhand erklärt, dass er sie im Haus behalten würde, bis sie alt genug waren, Lehrjungen in seinem wachsenden Betrieb zu werden. So war auch Liebhild glücklich, weil sie nicht auf alle ihre neuen Spielgefährten wieder verzichten musste.
Es erschien Susanne so, als hätte das Unwetter viel Ärger davongespült. Ihr Vater sprach zwar kaum ein Wort mit Till, war zu ihr jedoch nicht unfreundlich und allgemein guter Stimmung. Auch Martins Laune hatte sich erheblich aufgehellt.
Regine hielt sich viel in Susannes Nähe auf und machte vorerst keinen Versuch mehr fortzulaufen. Wenn Lenhardt kam, war sie besonders fröhlich und freute sich über seine Gaben. Einzig wenn Susanne bei diesen Gelegenheiten den Raum verlassen wollte, verhielt sie sich ängstlich. Doch selbst das ließ bald nach.
Lenhardt bedrängte Susanne nicht nach der Antwort auf seinen Antrag. Wonach er sie zu ihrer Belustigung allerdings bedrängte, war ihre Einwilligung, am folgenden Sonntag auf dem Schützenfest seine Tänzerin zu sein. Er nötigte sie sogar, mit ihm auf ihrer Diele zu üben, und ließ auch Regine daran teilhaben.
Am Samstagnachmittag legte Susanne nicht nur den üblichen Sonntagsstaat für die Kirche bereit, sondern auch die farbenfrohe und einfachere Kleidung, die sie für den Rest des Sonntages auf dem Festplatz beim Schießgraben tragen würden. Ihr gestreifter Rock und das blaue Mieder vom Vorjahr passten ihr noch. Auf Geheiß ihres Vaters hatte sie die Stücke anschaffen müssen, obgleich sie zuerst gar nicht zum Fest gewollt hatte. Auch dieses Mal musste sie wieder an ihre Mutter und das Schützenfest denken, welches zu ihrem Todestag geworden war. Traurig stellte sie fest, dass gerade in den vorangegangenen Wochen die Erinnerung an sie verblasst war. Sie konnte sich immer weniger vorstellen, wie ihre Mutter sich zu all den Veränderungen in ihrer Familie verhalten hätte.
Sie hatte Lenhardt zugesagt, dass sie mit ihm tanzen würde. Seine einzige Begleiterin wollte sie allerdings nicht sein, um nicht allen Beobachtern das Gefühl zu geben, die Sache zwischen ihnen sei schon entschieden.
Vor allem Jan sollte es nicht glauben, wenn er sie sah. Nachdenklich strich sie über den weichen Samt der kleinen
blauen Haube, die zum Festtagskleid gehörte. Am Sonntagmorgen würde ihr ausnahmsweise Lene die Haare einflechten und so aufstecken, dass es zu den breiten Schleifenbändern der Haube passte und beim Tanzen hielt. Eine schöne Frau sei sie, hatte Till gesagt. Das hatte sie überrascht. Jan hatte davon nie gesprochen, sondern nur erwähnt, dass ihr Lachen ihm gefiel.
Nach Lachen war ihr weniger denn je zumute. Je näher das Fest rückte, desto lieber wollte sie ihm fernbleiben. Aber sie hatte versprochen zu gehen, und es war immerhin eine der wenigen Gelegenheiten, Jan überhaupt noch zu begegnen.
Da Martin und ihr Vater wie die meisten waffenfähigen Vollbürger der Stadt zur Schützengesellschaft gehörten, oblag es ihnen, den festlichen Umzug von Anfang an mit anzuführen und den Schützenkönig des Vorjahres abzuholen. Susanne schloss sich mit Till, ihren Schwestern, Lene und ihrem Gesellen Thomas dem Zug erst später auf dem Marktplatz an.
Alle Sackpfeifer, Trommler, Drehleierspieler und Fiedler, die die Stadt zu bieten hatte, begleiteten die fröhliche
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