Salz und Asche - Roman
gesehen wie an diesem Morgen. »Susanne!« Hastig stand er von der Bank auf und kam ihr entgegen. Regine war noch schneller bei ihr. Zitternd fiel sie ihr in die Arme, kaum dass sie den Raum betreten hatte.
»Ist gut, Gine, alles ist gut«, murmelte Susanne, obwohl sie spürte, dass nichts mehr gut war, nichts mehr so wie früher. Regine sagte kein Wort, klammerte sich nur an sie wie ein verängstigtes Kleinkind.
Lenhardt sah aus, als ob er darunter litt, sie nicht ebenfalls in die Arme schließen zu dürfen. Sein Anblick in diesem Moment war es, der Susanne zum ersten Mal in ihrem Entschluss wanken ließ, ihn nicht zu heiraten. Sie konnte sich wehren, doch gleichzeitig sagten Vernunft und Gefühl ihr, dass diese Lösung am Ende ihre Familie und vielleicht auch sie selbst am zufriedensten machen würde. Es wurde nun einmal selten aus Liebe geheiratet, und sie
wusste allzu genau, wie viel schlechter eine Frau es treffen konnte.
Jan konnte und wollte nicht um sie freien. Er wollte es um ihretwillen nicht und um seiner selbst willen. Damit sie beide nicht alles aufgeben mussten, was ihnen etwas bedeutete. Gerade weil sie ihn liebte, musste sie sich damit abfinden.
Lenhardt schien ihr anzumerken, dass etwas in ihr vorging, das ihn betraf. Vielfältige Gefühle wechselten sich auf seinem Gesicht ab. Ernst, Zuneigung, Zweifel, Sehnsucht. »Susanne, ich möchte dir eine Frage stellen. Ich weiß, dies ist nicht der beste Zeitpunkt, aber vielleicht willst du mich trotzdem anhören?«
Nein . Susanne scheute vor ihrer eben errungenen Einsicht zurück, als die Frage nahte, die sie so lange befürchtet hatte. Sie wollte ihn nicht anhören und ihm nicht antworten müssen. Nicht schon jetzt.
Ihr Vater stieß einen Laut der Ungeduld aus. »Natürlich will sie. Komm, Regine, mein Mädchen, Lenhardt und Susanne haben etwas zu bereden.«
Regine wollte sich nicht hinausführen lassen, klammerte sich erst an Susanne und streckte dann die Hand hilfesuchend nach Lenhardt aus, als Susanne sie bat, mitzugehen. Lenhardt lächelte betreten, näherte sich ihr aber nicht. »Geh schon, Regine. Susanne wird gleich wieder bei dir sein. Ich nehme sie dir nicht weg.«
»Regine wird lernen, ohne ihre Schwester zurechtzukommen. So wie ich das sehe, ist es höchste Zeit dafür. Und nun Schluss mit den Dummheiten.« Ihr Vater nahm seinen strengen Tonfall an, und schließlich gehorchte Regine, wenn auch mit Tränen auf den Wangen.
Lenhardt atmete sichtlich auf, als die Dornsentür sich
hinter ihnen schloss. »Sie hat ständig nach dir und eurer Mutter gefragt.«
Erleichtert, wie er nun zu sein schien, musste Regine eine Last für ihn gewesen sein. Neue Zweifel erwachten in Susanne. Würde er fähig sein, ihre Schwester mit in seine Familie aufzunehmen? Anders war es für sie nicht vorstellbar. »Es war sehr freundlich, dass Ihr Euch um sie gekümmert habt. Sie hat Euch gern. Wo habt Ihr sie gefunden?«
»Musst du immer weiter so förmlich mit mir sein? Und müssen wir jetzt über deine Schwester sprechen? Ich meine, sie ist … Sie ist etwas Besonderes, und du darfst mir glauben, dass ich sie … Ich schätze sie. Aber … Aber es ist in diesem Moment wichtiger, dass ich mit dir … über etwas anderes spreche. Du musst wissen, dass unsere Väter eine weitreichende geschäftliche Zusammenarbeit planen, deren Ansehen und Erfolg gefördert würden, wenn du und ich … Nun, ich habe genug Achtung vor deinem Verstand, um anzunehmen, dass du diese Möglichkeit längst erwogen hast. Der Einfluss unserer Väter bei den Sülfmeistern, im Rat und in der Böttchergilde wird, gepaart mit ihrem Vermögen und Geschick, zweifellos gewinnträchtige Ergebnisse erzielen. Gemeinsam werden unsere Familien die größte Böttcherei der Stadt und, so Gott will, des Landes aufbauen. Das Salzgeschäft wird die Anfänge sichern. Sollte es aber so kommen, dass es tatsächlich verebbt, werden die kleinen Betriebe weit früher aufgeben müssen als Büttner und Lossius. Man könnte gar ein Verlagswesen aufbauen wie die Tuchhändler. Aber das ist nicht, was ich dir erklären wollte, sondern … Es liegt mir am Herzen, dass du erfährst, wie ich über die Ehe denke. Ich habe immer gesagt, ich würde nie eine Frau nehmen, die mir nicht gefällt. Und ganz gleich, wie klug die geschäftliche Verbindung
zwischen unseren Vätern erdacht und ausgemacht ist, ich würde dich nicht fragen, wenn ich es nicht durch und durch wünschenswert fände, dich als meine … Also, wirst du mir
Weitere Kostenlose Bücher