Salz und Asche - Roman
ihr gesehen.«
Jan verbarg unwillkürlich sein Gesicht in der Hand und schüttelte den Kopf. Die blauen Flecken, der Bluterguss im Gesicht. »Sie ist gestürzt«, sagte er, doch Till lachte nur höhnisch.
Dann kam Spornmaker mit dem fremden Offizier heran. »Könnt Ihr Euch nicht einigen, oder braucht Ihr noch etwas Beratung bei den kurzen Waffen? Lasst Euch gesagt sein, mit diesen Nürnbergern macht Ihr nichts falsch. Schlicht sind sie, aber sie liegen gut in der Hand, und die Radschlösser sind unübertroffen.«
»Es juckt mich in den Fingern, sie selbst zu probieren«, bemerkte der Offizier. »Allein die Freude am Zusehen hält mich ab.«
Jan fing Spornmakers aufmunternden Blick auf und nickte. »Dann wollen wir mal sehen, wie schnell sich so etwas lernt.«
Die Wirkung der Pistole überrumpelte ihn trotz aller Vorwarnung, sodass der erste Schuss fehlging.
Mit dem zweiten ließ Kienzle ihn bereits allein, um zwischen ihm und Till selbst auf die Scheiben anzulegen. Jan pflanzte seine Füße rechtwinklig zum Ziel in den Boden, um zu stehen wie ein Baum, wenn der Rückstoß kam. Nichts von der Kraft in seinem Arm war vergeudet, als er ihn mit der Waffe ruhig ausstreckte und das Ziel anvisierte. Aber sie reichte aus, nichts bebte und wankte. Wieder
durchströmte ihn die Gewissheit, dass er treffen würde. Fast gleichzeitig knallten drei Schüsse, und diesmal waren sie den Zielscheiben nahe genug, um sehen zu können, dass keiner von ihnen das Schulterblatt seiner Sau verfehlt hatte.
Kienzle lachte begeistert. »Teufelskerlchen. Einen Riecher hatte der Spornmaker wieder mit euch. Na los, ein Mal noch.«
Es bestätigte sich für Jan zusehends, dass sich dieses Wettschießen nicht völlig zufällig ergeben hatte. Doch was auch immer Spornmaker und seine Gäste im Schilde führten, es würde sich nicht dadurch ändern, dass er jetzt aufhörte.
Kienzle reichte ihm eine Kugel und küsste eine weitere, bevor er sie in den Lauf seiner Pistole schob. »Lass mich zwischen diesen beiden jungen Heißspornen hier nicht im Stich.«
Sein ganzes Leben lang hatte Jan sich nicht gefühlt wie ein Heißsporn. Gerade dass er für gewöhnlich einen kühlen Kopf bewahrte, hatte ihn manche brenzlige Lage überleben lassen. Zudem hatte er sich immer nach Frieden gesehnt und nicht nach Aufregung. Hätte ihn allerdings in diesem Moment jemand gefragt, wonach er sich am meisten sehnte, so wäre seine Antwort nicht Frieden gewesen. Es war ihm, als würde sich sein Herz mit jedem Schlag in seiner Brust wunder stoßen. Sein Wunsch, den Frieden zu wahren, verblasste gegen den Schmerz. Ruhig atmen . Er hob die Pistole, zielte, traf. Er wartete nicht das Ergebnis der anderen ab, sondern drehte sich um und ging zu Spornmaker, um ihm die Waffe auszuhändigen und dann zu flüchten. Der Waffenhändler erging sich in einem Loblied, doch das konnte nicht übertönen, was die am nächsten
stehenden Zuschauer in ihren Beifall mischten. Verhexte Kugeln, flüsterten sie. Freikugeln. Er hatte geahnt, dass dieser Tag nichts auslassen würde, was zu Ärger führen konnte. »Ich muss wirklich aufhören. Habt Dank für die Gelegenheit, es war mir eine Ehre.« Mit dem Hut in der Hand verbeugte er sich gegen Spornmaker und seinen vornehmen Bekannten.
»Nicht so schnell, junger Freund«, sagte dieser. »Herr Spornmaker hat mir von Euch berichtet. Ich habe Euch und dem vortrefflichen Herrn Büttner dort ein Angebot zu machen.«
Jan konnte sich nicht verkneifen, den Herrn misstrauisch zu mustern. Genau wie Spornmaker trug der Offizier seinen Bart fein gestutzt und geschwungen, und Straußenfedern zierten seinen breitkrempigen Hut, ganz à la mode. Er war aber einen Kopf größer und wesentlich massiger als der Waffenhändler. Über seinem Waffenbandelier prangte eine grüne Schärpe mit verschiedenen Ehrenzeichen. Die Beschläge seiner Pistole und der Degengriff blitzten in der Sonne, selbst in seinen polierten dunkelbraunen Stiefeln spiegelte sich das Licht. Dennoch war seine Kleidung nicht nur vornehm, sondern auch zweckmäßig, im Gegensatz zu der vieler Stutzer, die sich die Soldatenmode nur aneigneten, um Eindruck zu machen.
Jan spürte, wie Spornmaker ihm beruhigend die Hand auf den Rücken legte. »Du stehst vor dem Herrn Oberst Graf von Torgewalk. Er ist im Auftrag des Kurfürsten Friedrich Wilhelm auf Reisen, um Waffen für das brandenburgische Heer anzuschaffen, und nebenbei hält er die Augen nach fähigen Männern offen. Du weißt doch, dass der
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