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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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seines Ärmels und betrachtete Jan nachdenklich. »Und suchen Ihn diese Albträume heute niemals heim? Ist das möglich? Ist Er nicht gebeutelt von Hass und Angst? Kennt Er nicht diesen Zwiespalt zwischen Seinem Wunsch nach Frieden und der inneren Unruhe? Ist Er nie schlaflos von Schreien, die in Seinem Kopf widerhallen, von grässlichen Bildern und der Erinnerung an Seine Furcht? Denn auch wenn ich damit eine Blöße zeige, ich möchte Ihm anvertrauen, dass es bei mir so ist. Ich war ein zehnjähriger Knabe, als 1631 Magdeburg brannte. Mein Vater war unter Tilly Marschall und beschäftigt, die Stadt zu plündern, während meine Mutter und die anderen Damen des besseren Trosses gemeinsam mit uns Kindern betrachteten, wie die Toten die Elbe hinabtrieben. Es war weder das erste noch das letzte Mal, dass ich Ähnliches sah, doch es war eindrucksvoll. Mich quälen diese Bilder. Aber in meinem tiefsten Inneren - und das würde ich nicht aussprechen, wenn ich nicht fühlte, dass Er es vielleicht nachfühlen kann - in meinem tiefsten Inneren ist eine böse Sehnsucht danach, in dieses Grauen zurückzukehren, als wäre ich ein Teil davon. Dieses Böse in mir hat der Krieg gesät, und ich bin überzeugt, dass nur die nach ihm Geborenen frei davon sein können. Wenn Er
dergleichen erlebt hat und doch ohne Zerrissenheit lebt und ohne Anstrengung ein guter Mensch sein kann, so möchte ich Ihn doppelt bitten, dass Er mir Seine Geschichte erzählt. Womöglich vermag ich eine Lehre daraus zu ziehen.«
    Als wäre es gestern gewesen, sah Jan seine Mutter in die Schmiede seines Stiefvaters kommen. Sie lächelte und lobte ihn für seinen Fleiß. Sein Stiefvater machte einen gutmütigen Scherz darüber. Voller Stolz hatte er daraufhin mit der ganzen Kraft eines Zwölfjährigen weiter den Blasebalg der Esse bedient.
    Dann läutete die Glocke Alarm. Sein Stiefvater und der Geselle rannten zum Dorfplatz. Jan musste zurückbleiben, um auf das Feuer und die Frauen achtzugeben, auf seine Mutter und seine ältere Stiefschwester. Sie waren nicht gut vorbereitet. Der Krieg war zu Ende, seit Jahren war nichts vorgefallen. Doch die herrenlosen Söldner und ihr skrupelloses Gefolge waren noch da. Sie waren nicht plötzlich aus dem Land verschwunden, nur weil die hohen Herren in ihren Schlössern einen Frieden verabschiedet hatten. Und an jenem Tag waren sie eben ins Dorf gekommen. In die Schmiede. Ins Haus. In die Kammer, in der er sich mit den Frauen versteckt hatte.
    Danach war seine Mutter tot. Seine Stiefschwester. Sein Stiefvater. Alle. Die Schmiede brannte, so wie der größte Teil des Dorfes.
    Jan hatte einen Mann mit dem Hammer erschlagen, die Frauen damit jedoch nicht gerettet. Am Ende hatten die Galgenstricke ihn mitgezerrt, damit er für sie arbeitete. »Aus dem kann was werden, der passt zu uns«, sagten sie, als sie ihn auf den Erntewagen warfen, mit dem sie ihre Beute aus dem Dorf fuhren.

    Ja, Herr von Waldfels hatte recht. Tief im Innersten war er von jenem Tag an überzeugt gewesen, dass er zu den Halsabschneidern und damit zum Bösen gehörte. Warum hatte er sonst überlebt? Doch er hatte sich mit seinem Willen dagegengestemmt und beschlossen, dass er friedlich leben wollte, wenn Gott ihm eine Gelegenheit dazu gab. Später hatte er nicht mehr an Gott gedacht, sondern nur noch an den Zufall oder an sein Schicksal. Und als ihm dieses Schicksal in Person von Meister Schmitt die Hand hingestreckt hatte, da hatte er sich errettet gefühlt. Schmitt ahnte, dass etwas mit ihm im Argen war, aber er fragte nicht. Er gab ihm Arbeit. Und Arbeit war es, was Herr von Waldfels ihm und auch sich selbst geben wollte, um sich zu erretten. Der Herr mochte verrückt sein, aber vielleicht nicht verrückter als er selbst. »Euer Wunsch ehrt mich, aber ich glaube nicht, dass es Euch helfen wird, meine Geschichte zu hören. Über das, was gewesen ist, hilft mir mein Handwerk hinweg. Ich habe eine Arbeit, die ich liebe. Ihr mögt mir verzeihen, wenn ich offen sage, dass ich nichts anderes tun möchte.«
    Herr von Waldfels nickte. »Meister Schmitt deutete bereits an, dass solches der Fall sein könnte. Doch er sagte auch, dass er Ihn mit Freuden ziehen lassen würde, wenn er den Eindruck hätte, Er könnte dadurch Seine Aussichten in der Welt verbessern. Ich versichere Ihm, Seine Aussichten würden verbessert. Es stünden vielfältige Aufgaben bevor, die Ihm sicher das eine Handwerk ersetzen könnten. Und sei es auch nur vorübergehend. Auch die Städte

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