Salz und Asche - Roman
könnte doch etwas Großartiges dabei herauskommen. Glaubst du das nicht?«
»Bist du bei ihm gewesen? Hat er in der Nähe einen Landsitz?«
»Einen Tagesritt von hier. Und nicht weit von dort liegen die zerstörten Dörfer, wo Utopia entstehen soll. Eine friedliche und gerechte Stadt ohne Ratsfilz, wo gute Neuerungen nicht erstickt werden, wo einer für das zählt, was er kann, und nicht für das, was sein Vater in der Gilde darstellt oder in der Geldkatze hat. Niehus, kannst nicht gerade du verstehen, wie gut das wäre?«
Jan puhlte ein Steinchen aus der Erde, traf damit das Aschefass und suchte nach dem nächsten Geschoss. Nichts
weiter als sein kleines Stück Frieden wollte er. Ruhige Nächte, gute Arbeit. Musste er dazu Städte bauen? »Sind das die Worte von Hochwohlgeboren, oder sind es deine, Büttner? Es klingt mehr, als hättest du selbst dir etwas ausgedacht. Aber es ist auch gleich. Ich glaube, dass du zwar Menschen finden wirst, um deine neue Stadt zu füllen, aber bald genug wird sie dann wie jede andere sein. Die einen wollen reich sein, die anderen saufen, und die Nächsten über alles bestimmen und besser angesehen sein als der Rest. Und falls alles gut gedeiht, kommt nach einer Weile der gräfliche Erbe, hält die Hand auf und presst die Stadt aus.«
»Ich weiß ja. Aber es wenigstens zu versuchen, lockt dich das gar nicht? Willst du hier als Geselle in der Büchsenschmiede versauern, wie du in Lüneburg versauert wärest? Ich habe gesehen, was mit den Musketen getrieben wird. Und sosehr es mir schmeichelt, dass Kienzle und Schwalbach mich als Kundschafter wollen … Es kommt mir nicht wie ein lobenswerter Broterwerb vor.«
»Was ist aber nicht lobenswert daran, eine Kesse Grete für die Jagd auf Hirsche zu verkaufen? Und was ist nicht lobenswert an deinem eigenen Handwerk? Warum kehrst du nicht zurück?«
»Es wird dich wundern, weil du deinem Handwerk so mit Herz und Seele angehörst, aber ich hatte nie das Gefühl, dass die Böttcherei mein Handwerk ist. Ich langweile mich damit, dass ich schier platzen könnte. Die Tage scheinen mir so lang, als wollten sie niemals enden. Es war zu ertragen, solange zu Hause alles beim Alten war, aber nun …«
Jan traf mit dem fünften Steinchen. »Nun musst du entscheiden, ob du ein Heiliger oder ein Halunke werden sollst. Da schlage ich vor, du versuchst es mit dem Heiligen,
denn damit wirst du schnell fertig sein, und ein Halunke kannst du danach immer noch werden.«
Till lachte und stieß ihn in die Seite. »Ich hole mir dann bei dir Rat, wie man’s anstellt.«
Lichtmess zog vorüber, es ging vom Narrenfest in die Fastenzeit, und Till drückte sich noch immer in Perleberg herum.
Die Morgen des Taumonats waren noch kalt, aber endlich hell, und die Sonne hatte schon wieder Kraft zu wärmen.
An einem solchen frühlingshaften Vormittag kam ein reitender Bote zur Büchsenmacherei gejagt und sprang vom Pferd direkt in die Werkstatt. »Ein Till Büttner hier? Ich habe einen Brief für ihn.«
Jan schüttelte den Kopf. »Er ist im Schießgraben. Ich kann ihm den Brief geben, wenn er nachher kommt.«
»Geht nicht, ich soll auf Antwort warten. Könnt Ihr mir den Weg sagen? Es pressiert.«
Jan tauschte einen Blick mit Schwalbach, und dieser zuckte mit den Schultern. »Geh halt mit.«
Till wurde leichenblass, als er den Brief las. Jan beobachtete genau, wie sich seine Miene verhärtete, während er die Zeilen ein zweites Mal überflog und dann in den Umschlag sah.
»Was steht drin?«
Till hielt ihm das Papier hin. »Lies selbst.«
»Kann ich nicht. Sag schon.«
»Ein Drecksack fordert von Herrn von Waldfels Ranzion für meine Schwester. Hier!« Er zeigte ein Bündel blonder Haare, die mit einer Schnur zusammengefasst in dem Umschlag lagen, und starrte dann reglos ins Leere.
Jan wusste zumindest, dass es nicht Susannes Haare waren. Er betrachtete den Brief und fluchte wieder einmal auf seine Dummheit. Was hatte er nicht alles gelernt - warum nicht endlich das Lesen? »Herrgott, wie kommt das zustande? Nun lies doch vor oder sag es mir genau. Wen hat er in Verdacht? Was will er tun? Willst du zu ihm? Büttner!«
Till wandte sich ihm zu. »Kannst du eigentlich reiten, Niehus?«
»Ich konnte es früher. Werde es wohl nicht verlernt haben. Was hast du vor?«
»Liebhild kennt dich doch, oder?«
»Denke schon.«
»Würdest du mitkommen und mir helfen?«
»Woher nehme ich ein Pferd?«
»Von Waldfels schreibt, ich soll auf seine Kosten
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