Salz und Asche - Roman
schwarz.
»Ein halbes Maß bitte, Jungfer. Und ein Stück Blutwurst
oder dergleichen.« Der Essensgeruch in der Schenke hatte ihn daran erinnert, dass er schon seit drei Tagen zu wenig zu Abend gegessen hatte.
»Mit Vergnügen. Aber das ist eine bescheidene Wahl. Ich kann Euch doch ein schönes Brettchen voll bringen. Wär Euch das nicht lieber?« Sie zwinkerte ihm auf eine Weise zu, die ihm Spaß machte.
Er lächelte sie an und zwinkerte zurück. »Was man lieber hätte und was die Vernunft meint, das sind oft zwei verschiedene Dinge.«
Nun lächelte sie auch und flatterte ganz allerliebst mit ihren Lidern. Sogar ihre Zähne waren gut. »Aber wenn’s der Leib doch braucht.«
Ihre Dreistigkeit hätte ihn fast zum Lachen gebracht, aber er beherrschte sich und wehrte kopfschüttelnd ab. »Heut ist kein Feiertag, also gewinnt die Vernunft.«
»Na, hoffentlich kommt Ihr mal an einem Feiertag vorbei.« Sie warf ihm über die Schulter einen verschmitzten Blick zu, als sie ging, und er stützte lächelnd den Kopf wieder auf die Hand.
Vom Nebentisch erklang ein Knurren, das er zuerst einem der Hunde zuschrieb. Doch als er hinsah, schliefen die braunen Doggen friedlich. Ihr Besitzer dagegen knurrte. Obwohl Jan keinesfalls dessen Aufmerksamkeit erregen wollte, konnte er nicht anders, als ihn anzusehen. Er traf auf einen eiskalten Blick aus grauen Augen.
»Bändel nicht mit der Anke an, wenn dir was an deinem Leben liegt«, sagte der Narbige und zeigte drohend mit einem Zipfel Mettwurst auf ihn.
Jan hob beschwichtigend beide Hände. »So etwas käme mir gar nicht in den Sinn, Meister. Ich wart hier nur auf einen Herrn mit einem Auftrag.«
»Hm«, sagte der andere abfällig und widmete sich grimmig wieder seinem Wurstbrett und dem Bierkrug, der daneben stand. Selbst seine Hände waren mit wulstigen Narben bedeckt.
Jan fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Wie viele dieser Narben stammte aus Kämpfen auf dem Schlachtfeld, und wie viele waren die Spuren, die verzweifelte Opfer des Mannes hinterlassen hatten? Bauern, die ihre letzte Bettdecke verteidigten, oder Frauen, die ihren verbliebenen Rest Stolz nicht kampflos aufgeben wollten?
Sei vernünftig. Du kennst den Mann nicht. Will ihn nicht kennen, dachte er. Will nicht wissen, was der mit den Kindern zu tun hat.
Bevor Jan darüber nachdenken konnte, ob er nicht doch lieber gehen sollte, erschien der dicke Diener. Er hatte nicht nur braune Haare unter der dunkelbraunen Filzkappe, sondern trug auch einen braunen Anzug. Die Weste spannte über dem Kugelbauch - ein Wunder, dass die blanken Knöpfe nicht absprangen. Mit kleinen Schritten eilte er zielstrebig zu den hinteren Tischen und setzte sich ohne Begrüßung dem Narbengesicht gegenüber.
Sogleich beugten sie beide sich vor und steckten die Köpfe zusammen. »Acht«, sagte der Diener. »Und wenn du mich fragst …«
»Hm«, stimmte der Narbige zu.
»Aber der Herr ist noch nicht zufrieden. Meint, es muss hier noch mehr Seelchen zu retten geben.« Er lachte spöttisch, lehnte sich zurück und faltete die Hände über dem Kugelbauch.
»Also, wie lang?«, schnappte der Narbige.
»Kowatz, du musst Geduld lernen, wenn du unserem Herrn länger dienen willst. Warum sollte er sich beeilen, er
hat’s nicht ungemütlich bei seinem reichen Gastfreund. Für das Ungemütliche sind wir beide zuständig.«
»Hm.« Missmutig biss Kowatz von seiner Fleischwurst ab und legte den Rest auf das Brett. Mit einer Bewegung, die für Jans Geschmack weit zu geschmeidig ablief, zog er ein großes Messer aus dem Gürtel und schnitt den Wurstzipfel in zwei Teile, die er unter den Tisch warf.
Der Tisch wackelte, als die Hunde darunter in Bewegung kamen. Jan hätte gern genauer hingesehen, getraute sich aber nicht, den Kopf zu drehen. Er wagte kaum zu atmen, aus Sorge, seine Anwesenheit könne den beiden Männern ins Bewusstsein rücken.
Kowatz stieß sein Messer gereizt in das nächste Wurstrad und führte es damit zum Mund.
Der Kugelbauch schnaubte belustigt. »Der Käfigvogel wird bald mit Seilers Tochter Hochzeit machen, wenn es das ist, was dir im Nacken sitzt. Ich habe heute einer Frau einen Taler gegeben, damit sie den Richtern sagt, was sie über das schlimme Unglück weiß. Damit bist du aus dem Schneider.«
Kowatz’ Hand mit dem Messer fuhr nach vorn, bis dicht an die Nase seines Gegenübers. Der zuckte nicht einmal.
Jan ballte die Fäuste, um ruhig zu bleiben. Er spürte, wie seine Fingernägel Kerben in den Handballen
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