Salz und Asche - Roman
Susannes Vater zurück und versetzte ihr damit einen Stich. Sie hatte keine Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, und nach den Ereignissen der vergangenen Tage fühlte sie sich alles andere als unschuldig. Ihr wurde beinah übel bei der Vorstellung, was ihr Vater sagen würde, wenn er von ihren Heimlichkeiten erfuhr.
Herr von Waldfels holte angestrengt Luft und hielt sich ein Tüchlein unter die Nase, das er aus seinem Ärmel gezogen hatte. »Mein lieber Herr Büttner, ich fühle mit Euch. Was muss das für Euch und die armen Waisen für ein Verlust sein! Umso deutlicher muss ich sagen, dass die Gesellschaft Eurer Töchter mir gestern eine große Freude war. Wäre ich selbst nicht nur ein wohlgelittener Gast im Hause meines Freundes, würde ich Euch bitten, dass Ihr mir gemeinsam mit ihnen die Ehre eines Besuches gewährtet.«
Lenhardt, der Susanne nur den flüchtigsten Blick zuwarf und damit doch Bände sprach, trat vor. »Wenn das Euer Wunsch ist, Herr von Waldfels, dann kann ich Euch darin sekundieren. Auch meine Mutter wäre erfreut über einen weiteren Besuch Eurer Familie, Meister Büttner. Gewiss
fühlte sie sich so geehrt wie ich, wenn Herr von Waldfels zu uns stieße. Sagen wir, am nächsten Sonntag? Oder werdet Ihr nicht mehr so lange in der Stadt verweilen?«
»Nun, ich war darin noch nicht ganz entschieden, aber eine so liebenswürdige Einladung wird mich hier zurückhalten. Natürlich vorausgesetzt, dass ich meinem werten Gastfreund Fuhrhop nicht zur Last werde.«
Lenhardt lachte. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Er äußerte nachdrücklich, was für ein angenehmer Gast Ihr seid. Also, Meister Büttner, lasst mich die Einladung von Herzen aussprechen. Könnt Ihr mit Euren Töchtern und Söhnen den kommenden Sonntagnachmittag für uns entbehren?«
Der feine Nieselregen, der bis dahin kaum spürbar gewesen war, verstärkte sich. Binnen Kurzem schlugen schwere Tropfen nieder und ließen Ringe in den Pfützen auf dem Kirchvorplatz tanzen. Frauen, die vorsorglich ihre Umhänge mitgenommen hatten, zogen sich die Kapuzen über ihre Hauben, Männer zogen ihre Hüte in die Stirn und schlugen die Krägen hoch.
Susanne wandte sich zuerst Regine zu, um ihr mit ihrem Umhang zu helfen, dann sah sie sich nach Liebhild um, die sich jedoch bereits selbst geholfen hatte. Ihre eigene Kapuze war ihr lästig, doch noch unangenehmer war es, wenn die gute Sonntagshaube durchweichte.
Die meisten Leute waren schon vom Kirchvorplatz geflohen, lediglich die wetterfesten Schiffer, einige Mägde und Knechte hielten dem Wetter im Schutz einer großen Linde stand und schwatzten miteinander.
Lenhardt und Herr von Waldfels verabschiedeten sich eilig und strebten der Straße zu, wo Lossius’ Einspänner auf sie wartete.
Susannes Vater wedelte mit den Armen, als wolle er seine Kinder wie Gänse treiben. »Also auf, auf. Sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen.«
»Ich muss noch zu Marquart und komme später nach«, sagte Martin.
»Lass dich nicht aufhalten«, erwiderte ihr Vater und griff gleichzeitig nach Tills Arm. »Aber du kommst mit, mein Sohn.«
»Hatte nichts anderes vor«, murmelte Till. Sein Missmut hielt nur wenige Schritte vor. Er fing Liebhild ein und schwenkte sie durch die Luft, sodass sie juchzte. »Komm her, Hildchen-Liebchen, darfst auf mir reiten.« Mit Liebhild huckepack galoppierte er durch die Pfützen. Ihre Jüngste steckte mit ihrem Lachen Regine und Lene an, die mit Susanne untergehakt gingen. Und obwohl Vater Büttner Till einen Kindskopf schalt, klang er dabei gut gelaunt. Susanne fühlte sich so wohl dabei, mit ihrer ausgelassenen Familie durch den zunehmenden Regen auf ihr behagliches Haus zuzulaufen, dass sie die Flecken gern in Kauf nahm, die Tills Übermut auf seinem Sonntagsstaat hinterlassen würde. Sie hatte befürchtet, dass ihr Vater Lenhardt und Herrn von Waldfels für den Nachmittag einladen würde, und war dankbar gewesen, dass Lenhardt ihm mit seinem Vorschlag zuvorgekommen war. Sie dankte auch dem Regen dafür, dass sie nicht länger mit den Herren hatte vor der Kirche stehen müssen. An diesem Nachmittag wollte sie nichts, als von der Aufregung ausruhen und es sich mit ihrer Familie gutgehen lassen. Sie wollte Waffeln backen, Liebhild konnte vorlesen, und für kurze Zeit würde es vielleicht sein wie früher an den Sonntagen, als ihre Mutter noch gelebt hatte.
Jan war am Sonntagmorgen überzeugt davon, dass er nicht eine einzige Stunde geschlafen hatte. Er hatte die ganze Nacht
Weitere Kostenlose Bücher