Salz und Asche - Roman
trug. Der Anblick seiner wohlgeformten nackten Arme und Schultern traf sie so heftig, dass sie hoffte, Gertrud Schmitt würde nicht sogleich an ihrer Gesichtsfarbe erkennen, was zwischen ihm und ihr war. Sonnabend, hatte er gesagt. Sie konnte nur hoffen, dass ihr der Zufall zu Hilfe kam, damit sie es einrichten konnte.
»Jan Niehus, ich hoffe für dein Seelenheil, dass du nichts zu fürchten hättest, wenn du heute noch vor unseren Herrgott treten solltest.« Gertrud Schmitt sagte es Jan ins Ohr,
nachdem sie Susanne und ihre kleine Schwester draußen verabschiedet hatte. Seine Hand mit dem Hammer hielt im Schwung inne. Er wusste, dass Gertrud weitersprechen würde, ohne dass er nachfragte. »Wenn es der kleinen Büttnerschen gefällt, ihren Jungfernkranz zu verspielen, dann lass dich nicht darein verwickeln. Es gibt junge Weibsbilder, die werden irr, wenn in Aussicht steht, dass sie heiraten sollen. Und wenn dann keine Mutter da ist, die sie im Zaum hält … Ich warne dich zu deinem und ihrem Besten.«
Er nickte, und zu seiner Erleichterung reichte ihr das. Gertrud hatte scharfe Augen. Vielleicht hatte sie gesehen, dass er zu nah bei Susanne gestanden hatte. Vielleicht hatte Susanne ein Mal zu deutlich zu ihm herübergeblickt. Hatte sie das? Hör auf damit und arbeite! Er holte Schwung und ließ den Arm wieder sinken. Das Eisen war nicht mehr heiß genug, und außerdem fühlte er sich auf einmal schwach. Er hatte von Anfang an vorausgesehen, dass jemand sein Verhältnis zu Susanne entdecken würde. Womit er nicht gerechnet hatte, war seine Unfähigkeit, daraufhin vernünftig zu handeln. Es sollte nicht so schwierig sein, die Geschichte zu beenden, bevor es zu Schimpf und Schande kam. Doch all seine Befürchtungen wurden nebelhaft gegen die Angst, Susanne zu verlieren. Die Sehnsucht nach ihr fühlte sich an, als müsste er aus seiner eigenen Haut platzen.
»Hoi, Döskopp! Willst du heut noch was schaffen oder nur gucken, wie dein Salzschieber da auf dem Amboss festfriert?«, sagte Rudolf.
Jan lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch er verschluckte sie. Auch Rudolf hatte mehr zu tun als vor Alberts Verhaftung, und es machte ihm mehr aus als ihm
selbst. »Nu maul man nicht«, sagte Jan nur und trug das Eisen zurück zur Esse.
Als kurz darauf der Meister aus der Zunftversammlung kam, hatte die Arbeit Jan bereits wieder in ihren Bann gezogen. Dennoch bemerkte er, wie nachdenklich und wortkarg Schmitt war. Es stand ihm nicht an, seinen Meister nach dem Grund zu fragen, daher schwieg er. Die Blicke, mit denen Schmitt ihn von Zeit zu Zeit musterte, waren allerdings nicht geeignet, seine Sorgen zu zerstreuen.
Auch damit hatte die Unruhe an diesem Tage kein Ende. Am Nachmittag rief Schmitt ihn auf den Hof, weil er schon wieder zwei Besucherinnen hatte. Er biss die Zähne zusammen, als er die Frauen erkannte. Es war die zahnlose Magd aus dem Goldenen Stern, und mit ihr kam ihre Freundin Anke, um die der narbige Kowatz so auffallend besorgt war. Die Zahnlose hieß Meta, erfuhr er, und Meta gab ihm in sehr bestimmtem Tonfall zu verstehen, wie sie sich ihre Dochtschere und ihr »Mescher« vorstellte. Die blauäugige, schwarzhaarige Anke schäkerte derweil wortlos mit ihm, was das Zeug hielt. Zwei Mal war er bisher bei einer Hure gewesen, und selbst die hatten sich nicht offensichtlicher verhalten. Die Schankmagd verschaffte ihm mit ihrem herausgestreckten Busen, den geschürzten Lippen und dem Wiegen ihrer Hüften heiße Ohren. Er wollte nichts mit ihr zu tun haben, doch völlig verloren waren ihre weiblichen Reize an ihn nicht. Vor allem nicht, da er ohnehin seit Wochen mit seiner Männlichkeit zu kämpfen hatte. Zum Abschied warf sie ihm schließlich einen so selbstbewussten, schmachtenden Blick zu, als hätte sie keinen Zweifel, dass er sie umgehend in der Wirtschaft besuchen würde.
Jan stand der Schweiß auf der Stirn, als er in die Schmiede
zurückkehrte. Schmitts finstere Blicke wunderten ihn diesmal nicht.
»Ich will nicht wissen, wofür du die bezahlt hast«, sagte sein Meister.
Auch wenn es Jan peinlich war, musste er sich diesmal rechtfertigen. Schon weil er gleich das nächste Anliegen an Schmitt hatte. »Die eine konnte mir etwas über Alberts Geschwister erzählen. Kann ich heute zu ihm gehen? Ich muss mit ihm sprechen.«
Schmitt sah ihn zuerst misstrauisch an, dann zuckte er mit den Schultern. »Sicher.« Nach einer kurzen Pause murmelte er: »Könntest ja auch wahrlich Hübschere
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