Salz und Asche - Roman
sehen.«
»Bekannt? So, so. Da schlage ich vor, Ihr bittet den hohen Herrn, Euch das Schiff einmal persönlich zu zeigen.
Da könntet Ihr es dann sogar aus größerer Nähe betrachten. Und gewiss wird er Eurer Bitte doch mit Freude nachkommen.«
Seine Miene verriet Susanne, dass er sich besonders gewitzt fühlte, was ihr zuwider war. Hinzu kam, dass sein Tonfall etwas Verächtliches bekommen hatte, das sie aufbrachte. »Herr von Waldfels ist ein so hochgestellter Herr, dass ich ihm mit so einer Bitte nicht zur Last fallen möchte. Obgleich er sie mir aus lauter Freundlichkeit sicher nicht abschlagen würde. Mir ist in meinem Leben noch kein Mensch begegnet, der es ihm an Güte gleichgetan hätte. Wie würde sich auch sonst erklären, was er für die Kinder tut, nicht wahr? Es ist doch ein erheblicher Aufwand für ihn. Wer würde solche Mühen auf sich nehmen, wenn nicht ein wahrhaft guter Mensch? Aber Ihr habt Eure Pflichten, das sehe ich ein. Wir wollen Euch nicht länger aufhalten. Verzeiht uns unser Eindringen.« Sie nickte ihm zu und gab Regine einen kleinen Ruck, als wolle sie losgehen. Es war nicht zu übersehen gewesen, wie das Gesicht des Hudenvogts erstarrt war, als sie die Kinder erwähnt und dabei flüchtig zum Haus gedeutet hatte. Sie täuschte sich nicht.
Der Hudenvogt erhob beide Hände zu einer beschwichtigenden Geste. »Aber liebe Jungfer, auf keinen Fall wollte ich Euch vergrämen. Ich verstehe ja Euren Wunsch. Das Schiff ist wahrlich ein prachtvoller Anblick, den man nicht alle Tage genießen kann. Und wo Ihr nun in der Tat mit dem Herrn so gut bekannt seid, da könnte ich Euch doch entgegenkommen und habe vielleicht genau die richtige Lösung. Wenn Ihr Euch einen kleinen Augenblick gedulden wollt, dann werde ich meiner Hausmagd nur eben mitteilen, wo ich zu finden bin, und dann zeige ich Euch
das Schiff selbst. Ist das recht, ja?« Er ging während seines Wortschwalles bereits rückwärts.
Susanne lächelte breit. »Aber ja, das ist sehr freundlich von Euch.«
Der Mann erwiderte ihr Lächeln verkniffen und eilte zur Warborch. Statt zu warten, zog Susanne Regine am Arm und folgte ihm. Noch nie hatte sie etwas derartig Gewagtes getan, dennoch fühlte sie keinen Zweifel. Der Hudenvogt ließ seine Haustür vor Eile offen stehen, und sie schlüpfte mit Regine hinter ihm hinein. Regine sträubte sich ein wenig und sah sich verwirrt um.
»Wir gehen zu den singenden Kindern, Gine«, flüsterte Susanne. Sie zog Regine durch den dunklen Flur bis auf die Diele, zum Fuß der Treppe. Die Stimme des Hudenvogts drang von oben herab. Seine Worte waren nicht zu verstehen, doch er sprach gehetzt auf jemanden ein.
Endlich waren auch die Kinder wieder zu hören, die im Hintergrund offenbar in eine kleine Rangelei gerieten, um gleich darauf von einer Frau in scharfem Ton zum Schweigen gebracht zu werden. Susanne ließ kurzentschlossen Regine los und ging die Treppe hinauf. Erst auf den letzten Stufen trat sie fest auf. »Herr Hudenvogt! Verzeiht, seid Ihr da oben?« Sie rief laut, obwohl sie ihn bereits im Türrahmen der Kammer stehen sah, die ihr schräg gegenüber lag. Bevor er seine Überraschung überwinden konnte, war sie schon an seiner Seite und spähte in die Kammer. Die Frau darin sprang zur Tür und wollte sie zuwerfen, doch Susanne hatte gesehen, was sie sehen wollte. »Oh, sind das die lieben Kinder? Wie wunderbar von Euch, dass Ihr hier für sie sorgt.«
Der Hudenvogt und die Frau starrten einander erschrocken an, während die fünf kleinen Kinder mit großen Augen und ernsten Gesichtern Susanne ansahen.
»Nein, nein. Das … das sind nur … Meine Base und …« Der Hudenvogt errötete und griff sich in den Kragen, um ihn zu lockern.
Susanne nutzte den Moment, um sich unauffällig, aber zügig zurück zur Treppe zu bewegen. Sie winkte ab und zwinkerte verschwörerisch. »Nein, nein, mein Herr, ich verstehe schon. Ich wollte Euch nur rasch mitteilen, dass wir Euer großzügiges Angebot nun leider doch nicht annehmen können.« Sie hatte die Treppe erreicht und sah Regine, die verloren wirkend unten auf der ersten Stufe stand. Hastig raffte Susanne ihre Röcke und stieg die Treppe hinab. »Ich hatte in meiner Freude vergessen, dass wir noch eine Besorgung machen müssen, bevor man uns zu Hause erwartet. Uns läuft die Zeit davon. Ich möchte wahrlich nicht, dass unser Vater und unsere Brüder uns vor Sorge hierher nachkommen müssen.« Im Vorübergehen ergriff sie Regines Arm und schob sie zur
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