Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
Vom Netzwerk:
ganz gleich, ob er Befehl dazu hatte oder nicht.
    Schlaf. Seine Gedanken schienen in seinem Bewußtsein zu schwimmen, und er erkannte darin jene extreme Müdigkeit, bei der man die Orientierung verlor, sich im Dunkel um seinen eigenen Sinn drehte. Er versuchte, seine Sorgen loszulassen. Er konnte nichts für Corrisande tun, und auch nicht für Delacroix und wer immer bei ihm war. Oder für Charlotte von Sandling.
    Deutlich sah er sie nun vor seinem geistigen Auge. Sie kletterte durchs Dunkel, rutschte, fiel und kroch dann weiter. Sie blickte in seine Richtung, ohne ihn zu sehen, und er stellte zu seinem Entsetzen fest, daß sie blind war, schlimmer noch, daß sie keine Augen hatte. Die ernsten braunen Augen waren aus ihrem Gesicht verschwunden. Blind war sie und schutzlos. Ihre Haut leuchtete weiß in der Dunkelheit, so blutleer blaß, als wäre sie schon nicht mehr am Leben. Mörder, sagte sie, und ihre Stimme hallte durch den Berg bis hin zu ihm und teilte ihm mit, was sie von ihm hielt. Ihre Anklage schnitt in sein Selbstbewußtsein.
    Er wollte sie warnen, keinen Lärm zu machen, denn der Meister würde sie finden und den Flammen übergeben, und von Waydt würde sie finden und ihr wehtun. Doch sie hörte ihn nicht, kroch weiter durch die Finsternis und stürzte immer wieder, ohne auch nur aufzuschreien. Dennoch spürte er ihren Schmerz, als sei es sein eigener.
    Dann sah er das dunkle Schattengespenst, das ihr wie ein Teil von ihr folgte. Ein Monster schlich hinter ihr her, war dicht hinter ihr, während sie sich blind durchs Dunkel wand. Er sah es, es bestand aus Finsternis und warf riesige, unlogische Schatten gegen die Wände. Krallen hatte es und Fangzähne, und es folgte ihr, kam immer näher, Sekunde um Sekunde, schnüffelte nach ihrem Leben, bereitete sich auf das Erjagen der Beute vor.
    Er konnte sie nicht warnen. Er saß fuchtelnd im Dunkeln, doch sie sah ihn nicht, und seine Warnungen verhallten ungehört entlang völlig leerer Tunnel, ohne sie zu erreichen.
    Deshalb fing er an zu rennen, kletterte über Felsen, rutsche steile Wände hinab, stieg und fiel zurück, stieg und stieg, ohne je ein Ziel zu erreichen, immer in dem Wissen, daß er sie retten mußte. Ihr Leben war ihm kostbar, und wenigstens einmal noch wollte er sie lachen sehen. Dieses Lachen wurde ihm zum Ziel.
    Die Erinnerung an das Lachen glitt durch ihn hindurch und verpuffte. Gehen Sie gern auf die Jagd, fragte sie ihn über den Eßtisch hinweg und lächelte freundlich. Ihr offener Blick traf seinen, war voller Intelligenz und Charme, und er versuchte, ihr zu sagen, daß er nicht zu den Jägern gehörte, daß er in Wirklichkeit ganz anders war, doch schon war sie wieder verschwunden und kroch weiter durch die Höhlen in stiller Agonie, mit dem lauernden Schatten hinter ihr, dessen Klauen sich langsam nach ihr ausstreckten.
    Da fiel ihm ein, daß er seine Waffen vergessen hatte und – schlimmer noch – auch seine Befehle, und ohne die konnte er gar nichts tun. Er mußte warten, bis man ihm etwas auftrug. So verharrte er und sah zu, wie sie kroch und fiel und aufschrie vor Schmerz, während der Schatten der Bestie sie langsam einhüllte.
    Im nächsten Moment hatte das Wesen sie ergriffen, und Hunger und Lust troffen von seinem gierigen Maul. Spielen Sie gerne Schach, fragte sie und lächelte gesittet. Ich liebe Schach. Wenn wir nur ein Schachbrett finden könnten, könnten wir zusammen eine Partie spielen. Irgendwo muß eines sein. Es gibt so viele, die Gebirge hier sind voller Schach.
    Klauen rissen ihr die Kleidung vom Leib, und sie stand splitternackt da, zitterte und versuchte ihre Blöße zu bedecken. Nein, bettelte sie, bitte nicht. Er hörte das Vergnügen des Monsters, seinen leidenschaftlichen, rhythmischen Atem, das triumphierende Stöhnen seines Höhepunktes. Ihr Blut floß über die Felsen, durch die Spalten und Ritzen. In dem kleinen unterirdischen Fluß sammelte es sich, und alle Leuchtkugeln explodierten nacheinander in blutrotem Feuerwerk.
    Fortschritt, sagte der Professor, der plötzlich neben ihm stand. Fortschritt ist eine fabelhafte Sache. Reparieren Sie das Licht, es muß aus Versehen etwas Leben hineingekommen sein. So etwas darf einfach nicht passieren.
    Eine Instruktion. Asko konnte sie verstehen. Eine klare Aussage, leicht zu befolgen. Licht reparieren. Dunkel abstellen. Er drehte sich um und ignorierte das Blut, das von den Wänden und den Stalaktiten tropfte. Licht reparieren. Das war leicht.
    Bitte, flehte ihre

Weitere Kostenlose Bücher