Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
gutmütig Hardenburg hatte seine Miene beobachtet, als das Schicksal des Mädchens zur Sprache kam. Dem Bayern waren die Umstände zuwider. Vielleicht hatte sich die Kleine ja zu einem anmutigen Fräulein gemausert und Meyer sein Herz beim Abendessen verloren. Es waren schon seltsamere Dinge geschehen.
Der Professor umkreiste seine Maschine, ließ die Hände über das blanke Metall gleiten. Das war es, Fortschritt. Das Dampfzeitalter war vorüber. Das der Fey begann. Zu irgendwas mußten sie schließlich gut sein, zu etwas anderem als dazu, Kinder in ihren Bann zu ziehen und zu verführen. Diese neue Technik würde sie endlich für die Menschheit nützlich machen. Bisher waren sie das nie gewesen. Sie waren gefährlich, unberechenbar, mysteriös – aber nie von Nutzen.
Es war ein Trauerspiel, daß es so schwer war, sie zu finden. Dieser Aspekt war ihm nicht schwierig vorgekommen. In jedem Baum konnte eine Dryade stecken, ein Wassermann in jedem See, ein Nymphe in jeder Quelle, eine Fee in jedem Wald. Wenn man den örtlichen Geschichten Glauben schenkte, gab es sie zuhauf.
Allerdings glaubte Hardenburg nicht alle Legenden. Doch auch Marhanor hatte eingeräumt, daß es mehr als genug Sí auf der Welt gab und angedeutet, man habe auch Wissen über sie gesammelt. Die katholische Kirche verfügte über ein entsprechendes Archiv.
Es gab sicher eine Chance, an das Wissen zu kommen. Von Schwarzeneck hatte gute Verbindungen, und Hardenburg war nicht ohne Einfluß in bestimmten Kreisen.
Er betrachtete die großen Metallbolzen, die den Dampfteil der Maschine zusammenhielten. Blankes Messing, die Maschine war eine Schönheit. Er überprüfte den Treibstoffsitz. Es war schwer gewesen, so viel Kalteisen aufzutreiben. Doch die Oberfläche des Käfigs mußte damit verstärkt sein, damit ein Sí, der darin saß, nicht entkommen konnte.
Sie hatten eine außerordentliche Menge des seltenen Metalls gebraucht. Die Gelder, die in den Erwerb dieses Grundstoffs geflossen waren, waren beinahe schon besorgniserregend. Einer der Techniker trat heran und verneigte sich.
„Meister Marhanor führt eben die Messung nach Fey-Präsenz durch. Er bittet um Ruhe und will nicht gestört werden.“
„Wo sind denn alle?“ fragte Hardenburg.
„Die meisten schlafen. Sie werden sich beim Assistieren Meister Marhanors abwechseln. Er sagt, er brauche sie frisch und ausgeschlafen, wenn sie den Sí fangen wollen.“
Wenn – nicht falls. Wenn. Nur eine Frage der Zeit. Monate hatte er gewartet, da würde er noch ein paar Tage warten können. Marhanor würde den Feyon ausfindig machen, und das Team würde ihn gefangen setzen. Diesmal würde das Mädchen ihn nicht befreien.
Er dachte wieder an das verheulte Kindergesicht. Wie hatte sie geweint und getrauert! Kinder würden sich doch nicht so über einen verlorenen Spielkameraden aufregen. Ihre Reaktion ließ eine tiefere Bindung vermuten, einen Liebhaber, einen Galan, jemanden, der ihr ganzes Herz gefangen hatte.
Vierzehn oder fünfzehn war sie gewesen. Ein bißchen früh für Erfahrungen der fleischlichen Art. Aber so waren Fey. Man mußte dankbar sein, daß er und von Sandling der Sache ein Ende bereitet hatten, bevor das Kind einen Feyonbastard austrug.
Ob sie den Bergrutsch überlebt hatte? Nicht daß es wichtig war. Er wandte sich dem Techniker zu, der gerade wieder gehen wollte.
„Bilecki, warten Sie! Wo ist Meyer?“
Bilecki wandte sich um.
„Ist zu seiner Bettstatt gegangen, um etwas Schlaf nachzuholen. Er sagte, er wolle frisch und munter sein, wenn der Sí ankommt, und er wollte mehr über die Gefangenen wissen. Ich habe gesagt, das geht ihn nichts an.“
Hardenburg nickte.
„Es ist wahrhaftig nicht seine Sache. Doch ich verstehe seine Wißbegier, und selbst seine Hemmungen kann ich zum Teil nachempfinden. Der junge Mann glaubt gerne von jedem, den er trifft, immer nur das Beste.“
„Wenn Sie mich fragen, Professor, so ist er zu unvorsichtig“, meinte der Techniker, als wäre das kurze Gespräch mit Hardenburg eine Einladung für Vertraulichkeiten. „Er macht sich kein Bild von der Gefahr. Die Männer sind mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Spione. Meyer denkt, sie sind Touristen, die zufällig vorbeigekommen sind. Das ist Unsinn. Wenn man zwei Seen überquert und sich danach im Dunkeln durch die Wildnis schlägt, ist man nicht zufällig da, wenn Sie meine Meinung wissen wollen, Professor.“
„Sollte ich je Ihre Meinung wissen wollen, werde ich es Sie wissen lassen. Bisher
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