Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
furchtbar ermattet.“
„Hast du etwas Schönes geträumt?“
Er spürte, wie sie tief errötete.
„Erzähl!“
„Nein!“ sagte sie entschlossen und zog den linken Mundwinkel nach unten, während ihr rechter nach oben zuckte. „Du würdest dich über mich lustig machen, mich auslachen.“ Sie lehnte bleiern in seinem Arm, vertraute ihm, daß er sie sicher hielt und nichts tat als eben nur das. Was für ein Fortschritt. Verdient hatte er es nicht.
„Ich verspreche, daß ich nicht lachen werde!“ antwortete er und beobachtete ihr Gesicht, wie es einen unentschlossenen Ausdruck annahm. „Wovon hast du geträumt? Von mir?“
„Nein.“ Nur nein. Keine Erklärungen.
„Ich bin betrübt. Von wem dann? Von Orven?“
Sie wand sich in seinem Arm, versuchte, ihr Gesicht an seiner Schulter zu verstecken, während eine erneute Röte in ihre Wangen schoß. Jetzt lachte er doch, freute sich diebisch über ihr Unbehagen.
„Ich denke, da sollte ich wohl eifersüchtig sein“, feixte er und lauschte nebenbei ihrem unsteten Herzschlag. „Da sind wir zusammen im Dunkeln, und du träumst von anderen Männern. Das bestürzt mich zutiefst.“ Er nahm ihr Gesicht in die Hand und hob es aus seinem Versteck. „Heraus damit! Was hast du im Traum mit deinem rotblonden Helden gemacht? Ich will alle Details wissen.“
Sie wartete einige Sekunden, dann begann sie zu sprechen, keuchte ein wenig zwischen den Sätzen. Doch es ging ihr besser. Sie war schwächer, als sie für eine Klettertour durch die Höhlen sein sollte, doch das war nicht zu ändern.
„Ich hörte einen Dudelsackpfeifer“, sagte sie. „Der Dudelsack tönte durch den Berg, und ich bin dem Klang gefolgt. Es war einfach. Mein Herz strahlte in einem himmelblauen Licht, wie ein Leuchtfeuer, ich mußte nur seiner Richtung folgen. Ich kam in eine Höhle tief unter dem Berg. Ein junger Mann stand da, er hatte rötliche Haare. Er lächelte, und man sah, daß er mehrere Reihen Zähne hatte, und dann kam ein zweites blaues Licht, und ich sah, daß Herrn Meyers Herz im gleichen Licht strahlte. Der Knabe stand zwischen uns. Er zog an dem Licht, als wäre es ein Seil. Dann verwob er die beiden Lichtenden, meines mit dem Herrn Meyers, und sagte ‚Findet mich durch die Kraftlinien der Liebe‘. Ich bin aufgewacht, ehe ich ihn fragen konnte, was er mit Kraftlinien meint.“
Er schwieg.
„Weißt du, was Kraftlinien sind?“
„Nein. Gibt es so etwas?“
„Ja. Das war ein bedeutsamer Traum. Ich kann ihn noch nicht ganz deuten, aber von Orven wird noch einmal eine Rolle in unserem Leben spielen.“ In ihrem kurzen, seinem langen Leben. Ihrem sehr kurzen Leben, wenn er nicht behutsamer wurde. „Was hast du gefühlt, als du dem Herrn Leutnant begegnet bist?“
Sie vergrub wieder ihr Gesicht und sagte nichts. Doch er spürte ihr betretenes Grinsen.
„Warst du in ihn verliebt – im Traum?“ hänselte er sie.
Sie nickte beschämt.
„Es war nur ein Traum“, sagte sie und blickte hoch, ohne ihn sehen zu können. Einen Augenblick später begann sie zu lachen und zu glucksen. Ihr bleiches Gesicht wirkte peinlich berührt. Ihre Augen glitzerten, die nußbraune Iris war nur ein schmaler Ring um die großen schwarzen Pupillen. Ihre Nase zuckte. Das tat sie immer, wenn lachte.
„Ich meine, ich habe mir Cupido immer ganz anders vorgestellt. Jedenfalls nicht in einem karierten Schottenrock. Allerdings ist er immer unpassend gekleidet – wenn überhaupt. Zumindest die Statuen, die ich kenne. Vermutlich muß man für den Kilt dankbar sein.“
Ihr Gelächter hallte gemeinsam durch die Höhlengänge.
Kapitel 41
Der zweite Traum war nicht so grauenhaft gewesen wie der erste. Asko erwachte und sah auf seine Taschenuhr. Es war spät. Er hatte den Nachmittag verschlafen. Er fühlte sich trotzdem nicht sehr frisch. Doch er mußte aufstehen und sich damit auseinandersetzen, was zu tun war. Es gab viel zu planen. Er mußte die Gefangenen kontaktieren, herausfinden, wo die Mitglieder der Gruppe waren, damit man ihn nicht etwa ertappte und in Erfahrung bringen, ob Meister Marhanor immer noch damit beschäftigt war, Graf Arpad auszumachen – und das Mädchen.
Bei dem Gedanken an sie lehnte er sich noch einmal zurück auf sein Behelfsbett. Auch im zweiten Traum war er ihr begegnet. „Findet mich durch die Kraftlinien der Liebe“ hatte die Stimme gesagt, die zu einer kleinen, runzligen Kreatur mit ausnehmend vielen Zähnen gehörte. Woher sein Geist dieses Trugbild hatte, wußte
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