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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Jungfrau.
    Ja, und dann halten sie sich für weise, sagte die Greisin. Dabei ist Weisheit für sie wie die fernste Bergspitze, auf der ewiger Schnee liegt, wo die Wolken die Gipfel verhüllen. Unerreichbar für Menschen.
    Doch sie werden die Gipfel der Welt erkunden. Irgendwann werden sie sie erreichen, einen nach dem anderen, durch Nebel und Eis. Sie werden sie erstürmen und sich ihre Geheimnisse zu eigen machen, wie sie es mit allem tun.
    Doch wird sie das weise machen? fragte die Greisin.
    Kaum, sagte die Mutter. Sie werden es trotzdem tun. Wie sie alles immer trotzdem tun.
    Haben wir sie nicht auch gemacht? fragte die Jungfrau. Warum haben wir das getan?
    Es schien damals gut, sagte die Greisin.
    Ja, und amüsant, sagte die Mutter. Leben zu schaffen ist amüsant – selbst für Menschen.
    Haben wir Leben geschaffen, um glücklich zu sein? Haben wir unser Ziel erreicht? fragte die Jungfrau.
    Möglicherweise, sagte die Mutter.
    Möglicherweise auch nicht, sagte die Greisin.
    Aber wir haben Leben geschaffen? fragte die Jungfrau.
    Es gibt eine Realität, in der wir das getan haben, sagte die Mutter.
    Es gibt eine Realität, in der wir das nicht getan haben, sagte die Greisin.
    Arme Menschen, seufzte die Jungfrau. Wie sollen sie das je begreifen?
    Das können sie nicht, sagte die Greisin.
    Vielleicht stimmt es für sie auch nicht, sagte die Mutter. Alles ist relativ. Nicht einmal wir sind absolut, und sie – sie sind nur kleine Menschen.
    Doch manchmal nehmen sie uns wahr, sagte die Greisin, wie sie das Land wahrnehmen und die Jahreszeiten, den Schnee und den Sonnenschein. Wie sie Freude empfinden und Trauer, Mut oder Schuld.
    Dann machen sie uns zu dem, was sie glauben, das wir sein sollten, sagte die Mutter.
    Dann sind wir genau das, sagte die Greisin.
    Sie haben uns Namen gegeben, sagte die Jungfrau.
    Einbeth, Warbeth und Wilbeth, sagte die Greisin.
    Margarethe, Katharina und Barbara, sagte die Mutter.
    Glaube, Liebe, Hoffnung, sagte die Jungfrau und seufzte tief.
    Doch was ist nun die Realität? fragte die Greisin.
    Ist sie überhaupt jemals relevant? fragte die Mutter.
    Abermals wirbelte die Zeit vorbei, und das Gespräch fand nicht statt, hatte nie stattgefunden. Durch das salzflözige Gestein sang eine Stimme.
    „Ohne Zurück - setzt‘ ich aufs Glück
    fand dessen Segen - auf meinen Wegen
    doch ohne ein Wort – ging es fort, weit fort.“
    Schön, seufzte eine unendlich junge Stimme seit Tausenden von Jahren.

Kapitel 53
    Sophie öffnete die Tür vorsichtig, lugte durch den Spalt und versuchte gleichzeitig, Cérise nicht in der Schußlinie zu stehen. Marie-Jeannette und von Görenczy standen im Flur, letzterer in trocknen Sachen, sein halblanges, dunkles Haar trockengerieben und ordentlich gekämmt. Alle Spuren von Wasser und Schlamm waren verschwunden.
    „Meine Damen“, sagte er, „ich weiß, es ist eine Zumutung, aber da wir keinen angemesseneren Ort haben, möchte ich höflich bitten, daß Sie mich einlassen, damit wir ein paar Dinge besprechen können.“
    Sein Blick flog durch den Raum und blieb kurz an Corrisande, die rot anlief und zu Boden schaute, und an Cérise Denglot, die nicht errötete, sondern ihre Pistole weiter auf ihn gerichtet hielt, hängen.
    „Bitte erschießen Sie mich nicht“, fügte er zynisch hinzu. „Das wäre laut, unordentlich und verdammt unsubtil. Denken Sie an Ihren Ruf. Harmlose Landschaftsmaler niederzuschießen könnte ihn beschmutzen.“
    „Aber nein“, gab Cérise mit einem bösen Lächeln zurück. „Einen Herrn zu erschießen, der weit nach Mitternacht versucht, in mein Schlafgemach einzudringen, würde meinen Ruf nicht beflecken. Die Leute würden mir dazu gratulieren, daß ich ein so reiner, unbefleckter Engel bin.“
    „Ja“, gab Udolf ebenso mißvergnügt zurück. „Die Leute im allgemeinen sind ja solche Idioten, nicht wahr?“
    „Görenczy, Sie Flegel, wenn Sie sich nicht benehmen können …“ begann Cérise Denglot hitzig, wurde jedoch von Frau Treynstern unterbrochen.
    „Bitte kommen Sie doch herein, Herr Grossauer, und nehmen Sie Platz! Hier ist ein Stuhl. Wir werden uns auf die Betten setzen. Mehr Bequemlichkeit können wir Ihnen leider nicht bieten.“
    Von Görenczy und Marie-Jeannette traten in den kleinen Raum. Die Zofe schloß die Tür und lehnte sich dagegen. Auf ihrem hübschen Gesicht lag ein süßes Lächeln, als ihre Blicke dem Offizier durch den Raum folgten. Cérise fragte sich, was wohl aus der Wärmflasche geworden war, die sie

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