Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
ausgetreten und alt, aber sauber. Ein bunter Flickenteppich bedeckte sie teilweise. Er bot Schmuck und Wärme gleichermaßen.
„Mrs. Fairchild, es geht mich nichts an, doch ich denke, Sie sollten nicht weiterreisen. Sie brauchen ein bißchen Ruhe. Verzeihen Sie meine Offenheit, aber sie sehen blaß und krank aus. Sie haben eine Verantwortung ihrem Kind gegenüber.“
Die junge Frau seufzte und schmunzelte unerwartet, was sie äußerst liebenswert aussehen ließ.
„Ich weiß. Aber ich sehe immer viel fragiler aus, als ich bin. Ich bin stark und halte einiges aus. Wir haben dies gemeinsam begonnen, und vielleicht sollte ich deshalb keine Geheimnisse vor Ihnen haben. Wir müssen einander trauen. Also verrate ich Ihnen jetzt etwas – und ich hoffe, Sie verstehen, daß das niemand erfahren darf. Es gibt Wesen auf der Welt, die jünger aussehen und stärker sind, als sie wirken. Sie wissen das. Ich gehöre zu ihnen.“
Sophie war überrascht. War es möglich, daß die junge Frau ihr sagte, sie sei eine Sí? Sie musterte das schöne, anmutige Gesicht. Denkbar war es. Die Ohren waren rund. Genau wie bei Thorolf – es mußte nichts besagen.
„Sind Sie ...“ fragte sie, sprach es aber nicht aus, sondern betrachtete nur still das ebenmäßige, blutjunge Gesicht, den zarten Körperbau, die schmale Gestalt. Sie sah aus wie eine Elfenstatue, der man Leben eingehaucht hatte.
„Meine Eltern sind Menschen. Es liegt Jahrhunderte zurück, da hat es in meiner Ahnenreihe einmal einen ... Fehltritt ... gegeben. Erst bei mir trat das Erbe wieder hervor. Ich verlasse mich auf dieses Erbe, was meine Widerstandkraft angeht. Es hat mich schon einmal am Leben erhalten. Was ich Ihnen gerade gesagt habe, wissen nur wenige Menschen. Sie können sich denken, wie man darauf reagieren würde. Meine Kammerzofe weiß es nicht. Cérise schon. Arpad natürlich auch. Ich mag ihn sehr. Er hat bei meiner Vermählung meinen Vater vertreten.“
Sophie starrte sie an. Sie konnte sich Torlyn nicht vor einem Altar vorstellen.
„Mein Mann weiß es natürlich auch, und noch drei weitere Herren, einer davon der Meister des Arkanen, der mit meinem Mann in den Bergen unterwegs ist – und Sie wissen es jetzt.“
Sophie nahm die Hand der jungen Frau. Sie war kalt.
„Ich bin geehrt, Mrs. Fairchild. Darauf wäre ich allein nie gekommen. Sie wirken vollkommen menschlich. Aber Sie sind ganz kalt und sollten zurück ins Bett gehen, ehe Sie sich erkälten.“
„Ich erkälte mich nicht, Frau Treynstern, und mir ist im Moment auch nicht kalt. Mir war nur schwindlig. Ich neige jetzt morgens dazu.“
„Morgenübelkeit während der Schwangerschaft ist eine äußerst menschliche Eigenschaft, Mrs. Fairchild. Viel Feyonblut kann nach all den Generationen nicht mehr in Ihnen sein. Sie sollten auf die Bedürfnisse Ihres menschlichen Organismus‘ mehr Rücksicht nehmen.“ Sie hielt inne. „Was haben Sie geträumt?“
Corrisande seufzte und senkte den Blick.
„Nichts Schönes. Ich war wieder in dem hohlen Berg. Ich schwamm durch Wassertropfen, die durch das Gestein rannen. Ich sickerte in eine Höhle. Jeder Tropfen von mir sah dort einen brennenden Käfig mit Menschen darinnen. Sie versuchten herauszukommen, doch es gelang ihnen nicht. Dann fing einer von ihnen Feuer.“
„Wer?“ fragte Sophie argwöhnisch, obgleich sie die Antwort ahnte.
Corrisande nickte.
„Arpad. Er hielt ein totes Mädchen in den Armen, und er brannte von innen nach außen. Er schrie und verwandelte sich in eine kleine Sonne. Da verbrannten auch die anderen. Mein Mann war unter ihnen. Ich war Wasser und hätte sie löschen können, doch ich konnte sie nicht erreichen, floß nur von Stein zu Stein und sah immer wieder die gleiche Szene.“
Eine Träne lief ihr über die Wange.
Frau Treynstern spürte die Furcht der jungen Frau. Aus einem Impuls heraus nahm sie sie in die Arme und hielt sie fest. Der junge Körper war ganz verkrampft vor mühsam gewahrter Fassung.
„Pst. Das war nur ein Traum. Wir sind hier, um so etwas zu verhindern. Dazu sind wir gekommen.“
Wie ihnen das allerdings gelingen sollte, wußte Sophie auch nicht. Das Mädchen in ihren Armen entspannte sich ein wenig, und sie strich ihr übers Haar, das so seidig und fedrig war wie das Torlyns. Tatsächlich erinnerte sie die Situation ein wenig an die Zeit, als Thorolf noch klein war und getröstet werden mußte.
„Was ist, wenn es schon geschehen ist?“ fragte Corrisande.
„Es kann noch nicht geschehen
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