Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
beileibe nicht sein einziges Problem.
„Keine Angst. Ich tue dir nichts.“
Das hatte einigermaßen normal geklungen, nicht außer Atem, nicht erregt. Zumindest nicht allzu erregt.
Sie antwortete nicht. Sie schrie auch nicht wieder, lag nur da und kämpfte gegen ihre eigene Angst an. Es war ein interessantes Schauspiel, wie sie sich Stück für Stück mit der Situation abfand. Ihr ernstes Gesicht zuckte, ihr Mund zitterte, dann biß sie sich auf diese wunderbaren, weichen, vollen Lippen. Ihre Hände waren in ihren Mantel gekrallt. Ihre wundervollen Brüste hoben und senkten sich mit ihrem Atem.
Furcht, ermahnte er sich noch einmal, nicht Verlangen. Er konnte ihre Angst riechen. Er hielt mitten in der Bewegung inne, als er sich dabei ertappte, ihre Brüste streicheln zu wollen. Sie waren so verlockend, weich und warm. Knapp über ihnen erstarrte seine Hand, schwebte unschlüssig darüber, zitterte vor Beherrschung und Wollen. Sehen konnte sie es nicht. Doch wenn er seinen Gefühlen nachgab, würde sie seine Hände fühlen, und was sie an Vertrauen zu ihm aufgebaut hatte, wäre verloren.
Er brauchte ihr Vertrauen. Die Lage war schon schwierig genug. Wenn sie ihm nicht mehr vertraute, konnte er sie nicht weiterführen. Dann würde ihm nichts übrig bleiben, als sie zu töten.
Früher oder später würde er das ohnehin. Wenn sie nicht bald einen Ausgang fanden, würde er immer heißhungriger und gefährlicher werden und sie immer energieloser. Irgendwann würde sie nicht mehr die Schutzbefohlene sein, sondern ihre Rolle gegen die der Beute eintauschen. Dann würde er ihr Bewußtsein blockieren und ihr Blut trinken, sie entleeren. Er würde sie sanft entschlafen lassen und ihr den Hals brechen, ehe der Schmerz ihres versagenden Herzens sie weckte.
Er mochte den Gedanken nicht, doch er war realistisch genug, sich einzugestehen, daß es so kommen mochte. Sie konnte nicht unendlich lange ohne Nahrung überleben, und er konnte nicht lange mit so wenig auskommen, nicht nach dem gewaltigen Blutverlust des Vorabends.
Doch nicht jetzt. Auf keinen Fall.
„Guten Morgen. Verzeih, daß ich dir zu nahe gekommen bin. Ich bin eingeschlafen. Ich habe mich unabsichtlich an dich geschmiegt, weil wir alle im Schlaf die bequemste Stellung einnehmen, und du bist äußerst – gemütlich.“
Sie versuchte zu lächeln.
„Gemütlich?“
Ja, gemütlich, verführerisch, erotisch und verlockend.
„Nun ja. Gemütlich und bequem. Du mußt dich nicht fürchten.“
Sie hatte allen Grund, sich zu fürchten. Doch es hatte ihn viel Überzeugungskunst gekostet, sie zu beruhigen. Als sie sich am Abend zuvor auf den harten Höhlenboden gelegt hatten, hatte sie versucht, ruhig zu sein. Er hatte einen Arm um sie gelegt und sie beide in ihren Umhang eingewickelt. Sie hatte nicht schlafen können. Er war zu nah, zu beängstigend gewesen. Die Erinnerung an die vorangegangenen Ereignisse hatte sie fest im Griff gehabt. Ein wenig hatten sie sich unterhalten, doch sie war immer wieder vor Ermüdung eingenickt, um Minuten später voller Panik wieder zu erwachen. Zu guter Letzt hatte er ihr ein Schlaflied gesungen. Ein wenig dumm war er sich dabei vorgekommen, doch es hatte geholfen.
Dieses Schlaflied hatte zuletzt seinem Sohn vorgesungen. Er kannte nicht viele Schlaflieder.
„Sterne singen dir Gedichte
In stiller Nacht
Lächeln hell in ihrem Lichte
In stiller Nacht
Dunkelheit hält uns umschlungen;
Lieder werden sanft gesungen,
Sphären sind von Klang durchdrungen
In stiller Nacht.“
Wie ein Kind war sie dabei eingeschlafen, und so hatte auch er schließlich schlafen können. Doch sie war kein Kind, sie war eine erwachsene Frau. Geschlechtsreif.
Ihr Magen knurrte, und sie sah peinlich berührt zur Seite. In gesitteten Kreisen ignorierte man so etwas. In einer Höhle nicht.
„Hast du Hunger?“
„Ja.“
Es gab nichts zu essen.
„Ich auch“, antwortete er, und sie zuckte zusammen. Dann legte sie den Kopf zurück, bot ihm stumm den Hals.
Gottverdammt. Sie hatte keine Vorstellung davon, was sie in ihm auslöste. So ein schöner Hals. Er spürte ihre Adern, hörte ihr Blut eine Einladung trommeln. Sie lag auf dem Rücken. Er würde über sie kommen, ihren Leib ergreifen, ihre Kehle küssen, mit den Zähnen in die Privatsphäre ihres Körpers eindringen, und sie war bereit, seine Berührung zu akzeptieren. Eventuell würde sie lernen, diese Berührung zu mögen. Frauen mochten es, von ihm liebkost zu werden. Er war ein guter
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