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Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Normalerweise wußte sie sich wohl zu verteidigen, doch im Moment erschien sie ihm sehr zerbrechlich.
    Er löste seine Gedanken mit Gewalt von ihr.
    McMullen lag neben ihm auf dem Bauch, in der Deckung der Maschine. Der vielzahnige, blasse Jüngling lag hinter ihm zusammengerollt, die Arme über den Kopf, die Knie bis ans Kinn gezogen. Auch er spürte das Kalteisen. Diese Kerle hatten entschieden zuviel davon. Er hatte unterschätzt, wie sehr es seine Leute behindern würde. Er hatte allzuviel unterschätzt in den letzten Tagen. Ein gefährlicher Lapsus.
    So blieben nur McMullen und er, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Er schnaubte ärgerlich.
    „Verrat“, murmelte er. „Wer hätte das gedacht?“
    Der Meister antwortete nicht. Sein Gesicht spiegelte Konzentration und Schmerz wider. Eine stille Schlacht tobte, ein Kampf, bei dem Delacroix nicht helfen konnte. Er konnte nur ahnen, daß der andere Meister keineswegs krank oder fort war. Er war dort irgendwo in den Schatten, und der einzige Grund, warum Delacroix noch selbständig denken und sich bewegen konnte, war, daß sein Kamerad die Schlacht noch nicht verloren hatte.
    Die Höhle hatte auf der anderen Seite eine ganze Reihe von Gängen und Nischen. Delacroix machte sich keine Sorgen, daß die Frauen etwa den falschen Weg genommen haben könnten. Der Sí würde sie richtig geführt haben. Er hatte seinen Weg durch einen ganzen Berg gefunden.
    Das Schießen hatte im Moment aufgehört, doch Delacroix war sich sicher, daß die Schützen noch immer im verborgenen darauf lauerten, daß er ihnen netterweise ein gutes Ziel bot. Auf die kostbare Maschine zu schießen, hinter der McMullen und er Deckung gesucht hatten, hatten sie dabei nicht im Sinn.
    Trotzdem konnte er nicht einfach weiter dahinter liegenbleiben. Er mußte etwas tun. Er blickte zum Tunnel, in dem die Damen verschwunden waren, und versuchte, den Feyon auszumachen. Ein Schatten bewegte sich. Delacroix war sich nicht sicher, was er da eben gesehen hatte. Vielleicht war er es, vielleicht nicht. Wenn er nur die Angreifer ausmachen könnte!
    Er wünschte jetzt, er hätte Cérises Derringer. Doch Cérise mochte ihn noch brauchen, und er hätte sie keineswegs entwaffnet, nur um sich selbst zu schützen.
    Er griff neben sich und zog den Jungen zu sich heran. Er fühlte sich kalt und feucht an und zitterte.
    „Ian. Traumweber. Tun Sie etwas!“
    Der Knabe wirkte blutjung. Ängstliche blaue Augen schienen übergroß in seinem Gesicht. Der Blick wurde schärfer.
    „Es schmerzt so“, klagte er mit zittriger, alter Stimme.
    „Es wird weitaus mehr schmerzen, wenn sie uns erwischen“, gab Delacroix zurück. „Ich weiß, das Zeug behindert Sie. Doch Sie sind in einem Menschenkörper. Versuchen Sie, sich zu konzentrieren. Sie sind der Traumweber. Also weben Sie Träume. Lassen Sie sie einschlafen! Irgendwas.“
    Ian blickte ihn an wie ein Schuljunge in einer Prüfung, für die er nicht gelernt hatte.
    „Damit ich ihnen Träume schicken kann, müssen sie schlafen – oder in Trance sein, im Koma oder bewußtlos. Das sind sie nicht.“
    Delacroix hielt den dünnen Arm des Jungen in seiner Pranke. Ein Monat ohne Nahrung hatte an dem jungen Menschenkörper seine Spuren hinterlassen.
    „Dann denken Sie nach! Wie sind Sie ihnen denn das erste Mal entkommen?“
    „Ich sank durch Salz und Stein.“
    „Dann tun Sie das. Gehen Sie durch Stein. Materialisieren Sie hinter ihnen. Lenken Sie sie ab. Machen Sie sie kirre, verunsichern Sie sie. Irgend etwas!“
    „Ich weiß aber nicht, wie“, klagte der Junge, nicht der Sí.
    „Aber ein Teil von Ihnen weiß es. Arbeiten Sie mit ihm zusammen. Du lieber Himmel, Sie können doch nicht wollen, daß diese Leute Sie noch einmal durch die Maschine jagen.“
    Blaue Augen färbten sich einen Moment lang milchweiß.
    „Niemals.“ summte die Stimme schmerzhaft. „Niemals mehr!“
    „Dann …“
    „Mit diesem Körper kann ich nicht durch Stein sinken. Er ist zu menschlich dafür.“
    „Dann müssen Sie diesen Körper verlassen!“
    „Niemals“, wiederholte die Kreatur.
    „Können Sie nicht wenigstens für eine Ablenkung sorgen? Etwas, das mir Zeit gibt, durch die Höhle zu rennen und sie direkt anzugehen? Rasch! Sie werden nicht immer da hinten bleiben.“
    Große Augen blickten ihn wieder an, dann brach der Junge leblos zusammen, lag wie tot auf dem Fels.
    „Verdammt!“ zischte Delacroix. Er hatte gehofft, der Feyon würde wenigstens ein wenig helfen können. Sie waren alle

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