Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
sagen dürfen, was ihm über die Lippen gekommen war. Diese unglaubliche Entgleisung stellte ihn in weit schlechterem Licht dar als sie. Er hatte die Pfade der Wohlanständigkeit, die ihm stets das wichtigste war, in unverzeihlichem Maße verlassen. Es war ihr Einfluß. Für sie hatte er seine Prioritäten vernachlässigt, sein Blut und seinen Körper einem Monster offeriert und wegen ihr schließlich sein wahres Gesicht der Welt offenbart, das eines ungezogenen Widerlings ohne Manieren. Sie schien das Schlimmste in ihm hervorzubringen. Das Wissen darum, daß für seine Handlungen nur er und nie sie verantwortlich war, blockierte tief in seiner Seele sein ganzes Wesen und ließ ihn in völlige Sprachlosigkeit verfallen.
Er hatte sich entschuldigen wollen. Sollen. Müssen. Doch er brachte es nicht über sich. Sie wirkte so benommen, als hätte er sie mit einem Totschläger niedergeknüppelt. Er hatte eine Frau geschlagen, mit Worten zwar, aber dennoch geschlagen.
Er wünschte inständig, sie wäre fort, damit er endlich aufhören konnte, an sie zu denken und an den gottverfluchten Vampir und dessen kundige Hände und geübte Liebkosungen auf ihrer Haut – und auf seiner.
„Konzentrieren Sie sich, Herr Leutnant!“ befahl Delacroix eisig.
Sie näherten sich dem Dorf. Die Damen hatten das Haus beschrieben, und der Weiler war so klein, daß man es nicht verpassen konnte.
Sie gaben ein eigentümliches Bild ab. Delacroix’ Kleidung war zerschlissen, doch immerhin trocken. Warum sie naß gewesen waren, wußte Asko inzwischen. Ian McMullen hatte ihn über die Tragödie von Mrs. Fairchilds Schicksal unterrichtet.
Wieder seine Schuld. Er erinnerte sich so klar an sie, an ihr Gesicht, als er es zum allerersten Mal gesehen hatte. So zart und fragil war sie gewesen, so unglaublich lieblich und süß. Ihren Tod hatte er nie gewollt.
Dennoch hätte Delacroix sie sterben lassen sollen wie einen Christenmenschen. Seine sterbende Frau dem Wasser zu übergeben war keine christliche Art, Lebewohl zu sagen. Wie wollte er je seiner Familie ihr Verschwinden erklären? Nicht einmal ein Grab hatte sie. Sie hatte ein Mensch sein wollen, und Delacroix hatte ihr diese Möglichkeit genommen.
Sie erreichten das beschriebene Haus und traten ein, ohne zu klopfen.
Im Korridor kam ihnen ein Mann entgegen, starrte sie irritiert und mißtrauisch an. Er war in der üblichen Landestracht gekleidet: lange Lederhosen, Janker. Der Mann wandte sich Asko zu.
„Was tun Sie hier?“ fragte er, offenbar kannte er Asko.
„Es ist vorbei“, erklärte Asko. „Der Baron ist tot. Alle sind sie tot. Der Berg ist über ihnen eingestürzt. Haben Sie es nicht gehört?“
Der Mann starrte ihn unverwandt an.
„Ich habe was gehört. Wie Donner.“
„Die Höhle ist eingestürzt“, fuhr Asko fort. „Alles ist zerstört. Alle sind tot. Es gibt keine Überlebenden.“
„Doch“, gab der Mann zurück. „Sie!“
McMullen trat auf ihn zu und sah ihn durchdringend an.
„Die Höhle ist eingestürzt“, wiederholte der Meister des Arkanen. „Alles ist zerstört. Alle sind tot. Es gibt keine Überlebenden.“
„Ah“, murmelte der Mann und lächelte in plötzlichem Begreifen.
„Nun sagen Sie mir, wer muß diese Information erhalten? Wer sonst noch gehört zu dieser Verschwörung, und wo ist das Hauptquartier? Wen müssen wir überzeugen, daß dies hier endgültig vorbei ist? Für immer?“
Der Mann begann zu reden. In Grundlsee gab es noch eine Gastwirtschaft, die es mit dem Baron hielt. Und dann war da das Jagdschloß, nordwestlich von Aussee.
„Zwei Mann sind nicht zurückgekommen“, sagte Asko. „Wo sind sie?“
„Ich weiß es nicht“, erhielt er zur Antwort. „Vier Mann sind fort, nur zwei kamen wieder. Mehr haben sie mir nicht gesagt. Nur, daß sie einen Spion gefangen haben.“
Die Männer sahen sich beunruhigt an und schwiegen.
„Was haben sie mit ihm gemacht?“ fragte Asko.
Der Mann zuckte mit den Schultern. Er wußte es nicht.
Es war zuviel, zu hoffen, daß Udolf – und die Zofe – das überlebt hatten.
Sie stellten ihm noch einige weitere Fragen, und der Mann beantwortete sie alle. Schließlich wiederholte McMullen seinen Befehl.
„Die Höhle ist eingestürzt“, sagte er. „Alles ist zerstört. Alle sind tot. Es gibt keine Überlebenden. Sie haben es selbst überprüft. Sie haben es mit eigenen Augen gesehen. Niemand war mehr da, und niemand ist durch Gössl gekommen, egal aus welcher Richtung.“
Der Mann wiederholte
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