Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
ungeheueren Schmerz wahr. Unter Wasser hatte sie das nie gespürt.
Der Schmerz zwang sie in die Knie vor ihrem Wasserfürsten, und sie hielt sich den Kopf mit den Händen.
„Bitte“, flehte sie. „Bitte tu ihm nichts. Bring ihn nicht um, bitte!“
„Corrisande, geh aus dem Weg!“ befahl die dunkle Menschenstimme wieder und klang irreführend ruhig. Sie konnte seinen brodelnden Zorn unter der Maske aus Eis spüren. Sie kannte ihn so gut, spürte seine Wut, seine Frustration, sogar sein Wissen darum, daß er eine Schlacht schlug, die er nicht gewinnen konnte. Ihr starker Mann war zu schwach, um nachzugeben.
Wieder schnitt ein machtvoller Gedanke durch sie hindurch, und sie fiel noch auf den Knien liegend vornüber und jammerte.
„Töte ihn nicht, Iascyn. Bring ihn nicht um. Ich gehe mit dir mit. Was immer du willst. Ich werde nicht mehr an ihn denken. Tu ihm nichts. Bitte, verschone ihn. Bitte! Ich bin doch dein. Ich werde dir folgen. Ich werde nicht mehr weglaufen. Er will mich doch gar nicht. Er will mich nicht. Er will mich nicht zurück. Bitte tu ihm nichts. Bitte!“
Auch andere Menschen konnte sie nun spüren, jemand sah zu. Ihre Decke war ihr von den Schultern gerutscht und gab den Blick auf ihren nackten Körper frei.
„Laß ihn leben, Iascyn. Du hast doch keinen Grund, ihn zu töten. Nicht einen einzigen Grund. Er reist ab und wird nicht mehr hierherkommen. Er kommt nie wieder. Und ich werde dein sein, und wir werden im Wasser sein …“ Ihre Stimme versagte, hatte ihr selbst merkwürdig geklungen, ungeübt und seltsam, und hatte sich nun an der Ungeheuerlichkeit ihres Angebots gebrochen.
Die grause Aufmerksamkeit schwenkte von dem Menschenmann um zu ihr.
„Was willst du mit ihm, Geliebte?“ fragte ihr Wärter und Wächter und klang übellaunig und giftig. „Was findest du nur an dem Narren? Selbst wenn ich ihn jetzt am Leben ließe, stürbe er doch vor dir. Er würde vor deinen Augen alt werden. Wie kannst du ihn immer noch lieben, wo er dich nicht mehr will? Habe ich dir nicht die Schönheit der Seen geschenkt? Habe ich dir nicht all meine Liebe geschenkt? War ich nicht gut zu dir? Ich habe dich vor dem Sterben gerettet. Er hatte dich schon aufgegeben.“
Sie sah nicht zu ihm hoch, blieb nur vor ihm auf den Knien liegen, zusammengekauert, das Gesicht gegen den matschigen Boden gewandt.
„Bitte“, fuhr sie fort. „Ich tue, was du willst. Freiwillig. Aber tu ihm nichts. Laß ihn leben, Iascyn. Mehr verlange ich nicht. Sein Tod kann dir doch nicht soviel bedeuten. Du kannst mich dafür haben. Ich bleibe bei dir, und du brauchst mich auch nicht mehr dumm zu machen. Nur bitte …“
Der mächtige Fürst trat einen Schritt an sie heran. Sie konnte seine Stimme hören, als spräche er direkt in ihr Ohr.
„Ich finde deine Sorge um ihn ungeheuerlich. Was ist dir dieser Sterbliche?“
Sie sah in seine wunderschönen Regenbogenaugen und versuchte, dort die Gefühle von Freude und Liebe zu finden, zu denen er fähig war.
„Ich bin selbst sterblich, Iascyn. Du vergißt das immer. Ich werde sterben, und du lebst weiter.“
„Unter Wasser würdest du länger leben.“ Das meinte er durchaus freundlich.
„Und unter Wasser werde ich mit dir leben, wenn du ihn verschonst. Das werde ich.“
Seine Aufmerksamkeit glitt von ihr zu dem Mann hinter ihr, und sie rappelte sich so rasch wie möglich hoch, versuchte, ihm mit dem eigenen Körper Deckung zu geben, doch er war um so vieles höher und breiter als sie. Und Iascyns Macht war so unerhört groß.
Eine kräftige, knochige Hand schob sie unsanft von hinten aus dem Weg. Seine letzte Berührung?
„Halt dich da raus, Corrisande“, zischte ihr Mann. Gleich würde sie seine Witwe sein. Er starb einen sinnlosen Tod.
Sie fiel wieder auf den matschigen Boden und fragte sich, ob sie den Rest ihres Lebens mit seinem Mörder würde verbringen müssen? Sie schrie auf, als sie wieder auf dem Boden landete, schlang ihre Arme um ihren Bauch, um die unruhigen Seelen darin zu beruhigen. Das Kalteisen war zu nah. Sie unterdrückte einen Würgereiz, zwang sich dazu, regelmäßig zu atmen.
Die Aufmerksamkeit beider Männer schlug um.
„So streitet ihr also um sie wie zwei Schuljungen um eine Tüte Kuchen.“
Die Mutter – schön war sie auf ihre ruhige, unspektakuläre Art. Sie trug ein gefälliges, erdfarbenes Kleid. Ihr Haar war zur Krone geflochten. Ihr Lächeln mochte Eis zum Sieden bringen.
Sie beugte sich hinunter und streichelte einmal
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