Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Emotionen. Ein harsches Gesicht, gelbäugig, leidenschaftlich, ein Lächeln voller Liebe, überraschend, eine breite, wuchtige Gestalt, muskulös, überwältigend. Ihr wurde warm ums Herz. Eine große, grobknochige Hand um ihre Kehle, nicht Iascyns, doch dies hatte mit ihm zu tun, mit ihrem Herrn, dem Mann, der ihren Verstand regierte. Und ihren Körper. Er ließ sie vergessen, wenn sie traurig war, und dann war sie nicht mehr traurig, weil sie sich nicht an den Grund erinnerte; noch wußte, wie man richtig traurig war.
Bilder flossen ineinander. Die Schönheit des Sees, die sich wandelnden Farben, das wechselnde Licht, Mondschein auf den Wellen, ihr Heim zwischen den tanzenden, wabernden Wasserpflanzen auf dem Grund. Ein Palast aus zarten, grünen Blumen. Und immer Iascyn. Den Namen wußte sie. Es war der einzige, an den sie sich erinnerte, einen anderen gab es nicht. Oder doch?
Bisweilen dachte sie, daß auch sie einst einen Namen gehabt haben mußte. Dann konnte sie fast die tiefe Stimme hören, die ihn aussprach. Das war nicht Iascyns Stimme, die direkt in ihrem Kopf erklang. Doch die Stimme war immer schon fort, bevor sie sie begreifen konnte, lief wie Wasser durch ihr löchriges Gedächtnis. Dann wollte sie weinen, weil sie sie nicht festhalten konnte. Iascyn nannte sie „Geliebte“. Das war nicht ihr Name, oder doch?
Die Sonne schien hell durchs Wasser, als sie die Stimme des Mädchens gehört und ihre Gedanken gespürt hatte. Von ihm hatten sie berichtet, von dem Mann, an den sie sich zu erinnern suchte und es nicht konnte. Ein Schemen eines Gesichtes hatte sie erreicht, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie gehörte nicht hierher.
Iascyn war rasend gewesen vor Zorn. Sie entsann sich des Schattens seiner Wut, und des Schattens des Bootes über ihr. Auch ihre Erinnerung war nur mehr ein Schatten. Das Boot hätte er zerstört, hätte sie nicht eingegriffen. Dann zerrann ihre Erinnerung daran, warum sie das getan hatte und warum sie traurig war. Iascyn kümmerte sich um sie. Sie wußte wieder, daß sie zu ihm gehörte.
Nur manchmal sah sie wieder dieses andere Gesicht vor sich und dessen Schmerz. Dann weinte sie, ohne zu wissen, warum. Ihre Tränen lösten sich im Wasser auf, und sie vergaß.
Schließlich, eines Tages, erinnerte sie sich, und Iascyn war nicht in der Nähe. Da war es wieder, das wundervolle Gesicht, das nicht annähernd so gut aussah wie das Iascyns und das trotzdem stimmte, so wie es war, richtig war, genau so war, wie sie es wollte. Sie war allein mit der Erinnerung, mit einem Bild im Kopf und einem Namen, Philip. Wie einen Schatz hielt sie die Erinnerung fest, umfaßte sie wie ein Messer an der Schneide.
Bitte, flehte sie die Wellen an. Ich will zu ihm zurück. Ich brauche ihn.
Die Stimme der Mutter antwortete ihr. Bist du nicht glücklich? Nein. Sie war nicht glücklich, und sie wollte auch nicht glücklich sein, wenn es bedeutete, das Gesicht wieder zu vergessen, das einzige, das zählte. Ich werde dir helfen, sagte die Stimme der Mutter, wenn du das willst. Doch du mußt wissen und behalten, was du willst.
Sie schwamm los, und schon begann die Erinnerung zu verblassen. Wenn sie nur noch seinen Namen wüßte. Doch der war schon wieder hinter dem verschlossenen Teil ihres Geistes verschwunden.
Die Dunkelheit selbst zog sie aus dem Wasser, trug sie davon, und ihre Panik löschte die letzte Erinnerung aus. Dann erstickte sie. Beinahe. Fühlte Angst vor dem, was sie verlieren mochte. Sie hatte einen Fehler gemacht und starb, und Iascyn war nicht da, sie zu retten. Der Schmerz war allgegenwärtig, und die Furcht und, noch mehr als das, die Scham.
Die Bilder in ihrem Kopf tanzten ohne Worte, ohne Sinn oder Reihenfolge. Bedeutung fehlte und sollte es doch geben. Ihre Kinder wehrten sich in ihr, und sie fürchtete um deren Leben, ängstigte sich noch mehr.
Die Dunkelheit begann zu singen. Die Worte konnte sie nicht verstehen, doch die Absicht wurde deutlich. Sie gab nach.
Die Dunkelheit war ein Mann, wußte sie dann, ein lebendes Wesen, jemand, gegen dessen Körper sie lehnte, und dessen Hände sie anfaßten. Er hatte sie beruhigt, sie vertraute ihm, ohne zu wissen, warum. Sie erwartete, daß er sie lieben würde, doch das tat er nicht. Seine Berührung war unvermutet beschützend, nicht fordernd.
Manchmal begannen seine Worte eine Bedeutung zu ergeben, ließen eine Saite in ihr erklingen oder vermittelten immerhin den Eindruck von Sinn. Als ob sie ganz langsam erwachte, so war
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